Streit über Steuerdeals neu entfacht
fed Frankfurt
Das EU-Gericht, die für Wirtschaftssachen zuständige Instanz des Europäischen Gerichtshofs, hat die von der EU-Kommission verordnete Steuernachzahlung für Amazon gekippt. Der US-Onlinehändler muss also nun doch nicht 250 Mill. Euro an den Luxemburger Fiskus nachzahlen, wie es EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und ihre Beamten als Ergebnis eines beihilferechtlichen Verfahrens angeordnet hatten.
Die Richter bemängelten, Europas Wettbewerbshüter hätten nicht hinreichend nachgewiesen, dass der US-Konzern von einem „selektiven Vorteil“ profitiert habe und die Steuerlast einer Tochterfirma zu Unrecht verringert worden sei. Wie bereits in der Rechtssache Apple/Irland, in der es um 14 Mrd. Euro Nachzahlung geht, holte sich die EU-Kommission in ihrem Kampf gegen aggressive Steuervermeidung vor Gericht eine blutige Nase. Auch im Apple-Fall hatte das EU-Gericht die Anordnung der EU-Wettbewerbshüter gekippt.
Immerhin hatte die EU-Kommissarin Margrethe Vestager in dieser Woche in der parallelen Rechtssache Engie/Luxemburg Grund zur Freude. Das Gericht bestätigte in diesem Fall, dass der Steuerdeal zwischen dem französischen Energiekonzern und dem luxemburgischen Fiskus zu Recht von der EU-Kommission beanstandet worden war.
Vestager gab sich in Reaktion auf die beiden aktuellen Urteile kämpferisch. Sie kündigte zum einen an, im Fall Amazon Rechtsmittel zu prüfen. Zum anderen sagte sie, die EU-Kommission werde weiterhin „alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zur Bekämpfung unfairer Steuerpraktiken“ nutzen. Nationale Regierungen hätten zwar ausschließliche Befugnisse bei der Besteuerung von Unternehmen, müssten dabei aber selbstverständlich die europäischen Beihilferegeln beachten. Die Dänin zeigte sich zugleich zuversichtlich, dass sich in der Gesetzgebung jenseits des Wettbewerbsrechts einiges bewege, was die Bekämpfung von aggressiver Steuervermeidung voranbringe. „Wir stehen kurz davor, ein historisches globales Abkommen über die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung zu erreichen“, unterstrich Vestager. Zudem sei die EU-Kommission dabei, einen Vorschlag für eine Digitalsteuer vorzulegen, „damit Unternehmen, die vom digitalen Binnenmarkt profitieren, einen fairen Beitrag zum EU-Haushalt leisten“.
In der Rechtssache Amazon/Luxemburg hatte das EU-Gericht die von der EU-Kommission erlassene Nachzahlungsanforderung zu prüfen. Die Brüsseler Beamten hatten damit auf einen Steuerdeal – im Amtsdeutsch: Steuervorbescheid (tax rulings) – zwischen Amazon und den luxemburgischen Behörden von 2003 reagiert. In dieser Verabredung hatte das Großherzogtum dem US-Konzern zugesichert, dass eine Tochterfirma des Konzerns nicht der heimischen Gesellschaftssteuer unterliegt, und gleichzeitig, dass Luxemburg eine bestimmte Methode der Berechnung von Transferzahlungen zwischen dieser Tochter und anderen Konzerneinheiten akzeptiert. Im Ergebnis führte dieser Deal dazu, dass, wie die EU-Kommission berechnete, 75% aller Gewinne des Europageschäfts von Amazon steuerfrei blieben.
Das EU-Gericht hingegen kommt zur Einschätzung, dass es der EU-Kommission nicht gelungen sei, belastbar zu zeigen, dass Verrechnungspreise überhöht wurden, um die Besteuerungsbasis und damit letztlich die Steuerlast erheblich zu schmälern.
Die Luxemburger Regierung sieht sich durch das Amazon-Urteil bestätigt. Es stelle „Luxemburgs Engagement für Transparenz in Steuerangelegenheiten und den Kampf gegen Steuervermeidungspraktiken nicht in Frage“, erklärte die Regierung.