Streit um Neuschwanstein und um Plätze auf der Wiesn
In Bayern hat scheinbar alles wieder seine Ordnung. Die Ferien sind zu Ende und die Kinder zumindest vormittags gut aufgehoben. Kein Quengeln mehr wegen chronischer Langeweile. Sogar der Europäische Gerichtshof trägt zum Frieden im Freistaat bei: “Neuschwanstein” bleibt eine geschützte Marke. Die Richter lehnten eine Klage des Bundesverbands “Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise” ab.Erst einmal staunen wir, dass es einen Bundesverband für Andenken, Vereins- und Festartikel gibt – und das schon seit 54 Jahren. Zweitens fragen wir uns, ob dieser Verein Gipsminiaturen des Brandenburger Tors oder winzige Messingnachbildungen des Kölner Doms “Neuschwanstein” nennen will. Hm, jedenfalls behält Bayern die Hoheit des Namensrechts und entscheidet allein, welche Waren die Bezeichnung “Neuschwanstein” führen dürfen. Dem bayerischen König Ludwig II., visionärer wie menschenscheuer und von Seelenpein geplagter Bauherr des Märchenschlosses im Allgäu, wird es in seiner Gruft recht sein. Allerdings berichtet die Deutsche Presse-Agentur, dass der Konflikt mit dem Verband für Orden, Pokale und sonstige Auszeichnungen womöglich noch lange nicht beendet ist. Es sei noch ein Antrag des Klägers offen, die Markenrechte zu löschen. Dabei wird doch schon seit mehr als einem Jahrzehnt im Namen des Schlosses gestritten. Ja, wenn wir für so etwas Zeit und Geld haben, kann es unserem Land nicht schlecht gehen – Dieselfahrverbote, Rente und Chemnitz hin oder her. *Mei, was täten wir nur ohne die Justiz! Der bayerische Stoßseufzer gilt auch einem anderen Scharmützel um ein weißblaues Nationalheiligtum: das Oktoberfest. Am übernächsten Wochenende beginnt wieder das fröhliche kollektive Betrinken auf der Theresienwiese in München. In dieser Woche beschäftigte sich das hiesige Oberlandesgericht mit einem Streit um Reservierungen in einem Bierzelt auf der Wiesn. Es klagt eine GmbH, für deren Kunden der Beklagte einige der heißbegehrten Plätze in einer der urgemütlichen Prosit-Hallen sichern sollte. Das klappte 2013 und 2014 ganz gut. “Im Jahr 2015 kam es zwischen den Parteien zu ersten Problemen”, schreibt die Pressestelle des Gerichts. Kling unheilvoll. Zu Recht, denn das Unternehmen behauptet, für das Reservieren im Jahr 2016 dem Platzvermittler schon im Oktober 2014 stolze 15 000 Euro gezahlt zu haben. Nebenbei bemerkt: Wahnsinn, wie leicht und schnell sich in München viel Geld verdienen lässt! Man muss halt nur einen Festwirt zum Spezl oder Amigo haben. Der Streit, der in die Berufung und deshalb ans OLG gegangen ist, dreht sich letztlich um den Punkt, ob es 2016 noch eine Geschäftsbeziehung gab. Unser Ratschlag, um solche nervenaufreibenden Missverständnisse zu vermeiden: Einfach ein paar Mass (außerhalb Bayerns: fast zwei Halbe) Bier weniger trinken, damit man erstens seine Partner bei vollem Bewusstsein auswählen kann und zweitens hinterher genau weiß, ob man eine Beziehung – ob mit oder ohne Geschäft – eingegangen ist. *Die Frage, welche Beziehung oder gar Beziehungen die CSU nach der Landtagswahl am 14. Oktober eingehen muss, treibt Bayern um. Die Franz-Josef-Strauß-Partei steuert auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 68 Jahren zu; die einst quasi aus Gewohnheitsrecht gesicherte Alleinherrschaft geht schon wieder dem Ende entgegen. Zur Erinnerung: Von 2008 bis 2013 musste die FDP als Koalitionspartner ins Kabinett gelassen werden. Ausgerechnet der Bayerische Rundfunk (BR) überbrachte nun die schlechte Nachricht für Ministerpräsident Markus Söder: Nach der jüngsten Umfrage des BR bekäme die CSU nur noch 35 % der Wählerstimmen. Hören Sie auch schon Söder am Wahltag im ARD- und ZDF-Studio mit bittersüßem Lächeln sagen: “Jetzt werden wir erst einmal in aller Ruhe das Wahlergebnis analysieren”? Tja, die Ordnung ist für manche in Bayern ernsthaft gefährdet. Nichts ist mehr so sicher, wie es lange schien. Abgesehen vom Endlos-Abo des FC Bayern für die deutsche Fußballmeisterschaft. Doch das ist noch langweiliger als die letzten Tage der Sommerferien.