Streit zwischen Gabriel und Stromwirtschaft eskaliert

Wirtschaftsminister für Markt mit echten Knappheitssignalen - RWE erwägt Kraftwerksverkauf ins Ausland

Streit zwischen Gabriel und Stromwirtschaft eskaliert

ge Berlin – Der Streit zwischen Regierung und Elektrizitätswirtschaft über das künftige Strommarktdesign eskaliert. Während Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Forderungen der Industrie nach einer Entlohnung für das Vorhalten sicherer Erzeugungskapazitäten ablehnt, dringt die Energiewirtschaft auf Hilfen für ihre Kohle- und Gaskraftwerke. “Konventionelle und sichere Kraftwerke bleiben noch lange unersetzlich”, sagte Eon-Chef Johannes Teyssen gestern auf einem Energiekongress. Sie seien trotz des Ausbaus des volatilen Ökostroms für eine sichere Versorgung notwendig und bräuchten einen fairen Preis. Auch Vertreter von Stadtwerken forderten, dass die Bereitstellung von Kraftwerksleistung, die rund um die Uhr produzieren kann, vergütet wird. Gabriel hatte dagegen zuvor in einem Zeitungsinterview gesagt, das eigentliche Interesse vieler Kraftwerksbetreiber bestehe darin, “existierende Überkapazitäten auf Kosten der Stromverbraucher zu konservieren.” Das sei das Gegenteil von vernünftiger Energiepolitik. Allenfalls eine Reserve könne es geben, um Versorgungsdefizite zu beheben.Zu einem vernünftigen Markt gehörten “echte Knappheitssignale”, die damit die erforderlichen Investitionssignale setzten. “Diese Signale wird die Politik aushalten müssen.” Fachleute erwarten, dass in Spitzenzeiten, wenn gleichzeitig der Wind einschläft und die Sonne hinter Wolken verschwindet, der Strompreis auf mehrere 1 000 Euro je Megawattstunde (MWh) explodieren könnte, verglichen mit aktuell gut 30 Euro/MWh. Entscheidung noch offenDie Versorger stehen durch den Ausbau der erneuerbaren Energien enorm unter Druck, weil Wind und Sonne ihren Strom nahezu kostenlos auf den Markt drücken – womit herkömmliche Kraftwerke vielfach in die roten Zahlen rutschen. Entsprechend sind dutzende Anlagen bei der Bundesnetzagentur zur Stilllegung angemeldet. In diesem Zusammenhang sagte RWE-Vorstandsmitglied Rolf Martin Schmitz der Nachrichtenagentur Reuters: “Wir überlegen gerade, ob wir nicht ein Gaskraftwerk zum Beispiel aus Holland, das nur einige Monate gelaufen ist, komplett ins Ausland verkaufen.” Zudem werde der Konzern womöglich weitere Anlagen in Deutschland und den Niederlanden stilllegen.Auch Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake verwies auf die riesigen Überkapazitäten im Markt und dass Kraftwerke vom Netz genommen werden müssten. Trotz der offenkundigen Präferenz “seines” Ministers sei die Frage der Kapazitätsmärkte aus seiner Sicht aber noch nicht entschieden. Auch Bayern bleibt bei der Forderung nach Staatshilfe für neue Gaskraftwerke. Gabriels Modell, dass der Markt allein die Stromversorgung regeln solle, reiche nicht aus, sagte Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) in Wildbad Kreuth.