Strom in Bayern um ein Drittel teurer

Bei anhaltender Leitungsblockade droht Brüssel mit Marktaufteilung

Strom in Bayern um ein Drittel teurer

Von Ulli Gericke, BerlinWird Bayern ein Balkanstaat? Wo der Strom knapp und teuer ist, wie in ganz Südeuropa? Wo die Industrie klagt, dass sie wegen der hohen Energielasten benachteiligt sei, und mit Wegzug droht? Nach Meinung von verantwortlichen Managern von Übertragungsnetzbetreibern wird genau dies geschehen, wenn der Freistaat auf seinem strikten Nein bei der südostdeutschen Stromautobahn beharrt, die das windreiche Sachsen-Anhalt mit dem industrie-, und damit verbrauchsstarken Bayern verbinden soll. Hier, wie auch im benachbarten Baden-Württemberg, ist Strom heute schon nicht im Überfluss vorhanden – wenn man von den sonnigen Mittagsstunden absieht, in denen die reichlich vorhandenen Fotovoltaikanlagen mehr Energie erzeugen, als abgenommen werden kann. Problematisch wird es, wenn in den nächsten acht Jahren die noch vorhandenen sechs süddeutschen Atomkraftwerke Schritt für Schritt vom Netz genommen werden, die heute noch die Basis für eine sichere Versorgung darstellen.Um die drohende Stromknappheit im Süden zu vermeiden haben die Übertragungsnetzbetreiber im vergangenen Jahr einen ersten Netzentwicklungsplan erarbeitet. Dieser dokumentiert den notwendigen Übertragungsbedarf und beschreibt dafür den benötigten Netzausbau in den nächsten zehn bzw. 20 Jahren. Gegen EU-RegelnDazu gehören viele kleinere Netzausbauten und drei große Stromautobahnen in der verlustarmen HGÜ-Technik für die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (siehe Grafik). Nur so, sagen die Netzbetreiber, sei es möglich, den günstigen Wind- und Braunkohlestrom aus dem Norden in den Süden zu transportieren. Um die seit 2013 stattgefundenen Veränderungen zu berücksichtigen, wie die inzwischen in Kraft getretene Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), legen die Übertragungsnetzbetreiber am Dienstag den zweiten, ergänzenden Entwurf zum Netzentwicklungsplan vor.Im Wesentlichen geht es dabei um den Engpass in etwa auf Höhe des Mains. Während südlich davon bis 2022 rund 8 Gigawatt (GW) Erzeugungsleistung vom Netz gehen, wächst die Windkraft im Norden im nächsten Jahrzehnt auf etwa 45 GW – Strom ist also reichlich vorhanden. Doch Leitungen gibt es nur in einer Transportkapazität von 12 GW, die schon heute bei Starkwind ausgelastet sind. Das Doppelte wäre nötig, um den Atomausstieg zu bewältigen.Blockiert Bayern unter Führung von Ministerpräsident Horst Seehofer – der zuvor dem Netzausbau zugestimmt hatte – die südöstliche Thüringentrasse weiter, wird eine innerdeutsche Stromgrenze immer wahrscheinlicher. Mit günstigem, weil reichlich vorhandenen Strom im Norden und teurer, weil knapper Energie im Süden.Das Beispiel Schweden zeigt dabei, dass die EU-Kommission nationale Umgehungsstrategien aushebeln kann und will. Im nördlichen Nachbarland hatte der dortige Netzbetreiber Svenska Kraftnät Übertragungskapazitäten nach Norwegen und Dänemark limitiert, um südschwedische Verbraucher vor höheren Strompreisen zu schützen als Folge eines Transportengpasses zwischen Nord und Süd. Das Land hatte also seinen inländischen Engpass an die Außengrenze verlagert – was den Regeln des europäischen Binnenmarkts widerspricht. Gesamtwirtschaft verliertFolglich hat die EU-Kommission im April 2010 Schweden zu einer Marktaufteilung mit unterschiedlichen Preiszonen verpflichtet. Ein ähnliches Vorgehen Brüssels konnte hierzulande bislang mit dem Hinweis auf den Netzausbau und damit eine zeitliche Befristung des Problems ausgebremst werden. Unterbleibt der Netzausbau aber an einem neuralgischen Punkt, wird das Argumentieren schwierig.Erste grobe Berechnungen von Übertragungsnetzbetreibern zeigen, dass der künftige Strompreis im Süden etwa 15 % teurer sein dürfte als der im Norden. Beschließt die Politik einen Kapazitätsmarkt, weil in Zeiten volatiler erneuerbarer Energien sonst keine gesicherte Leistung mehr darstellbar ist, verdoppelt sich der Preisaufschlag, da sich der teure Neubaubedarf im Süden ballt. Das Plus zum Norden betrüge dann schon 30 %. Ungewiss ist weiter, ob die Länder mit relativ günstigen Ökostromanlagen (wie Windrädern) weiter willens sind, die teuren Solarmodule zu subventionieren – womit die Differenz weiter steigen würde. In toto dürfte sich der gesamtwirtschaftliche Schaden auf rund 600 Mill. Euro jährlich summieren, weil teure Kraftwerke im Süden ans Netz müssen, während günstiger Windstrom im Norden abgeregelt wird.