NOTIERT IN WASHINGTON

Sturz eines amerikanischen Helden

Einem der am höchsten dekorierten Generäle in der US-Geschichte droht eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Wie aus Regierungskreisen verlautet, wird US-Justizminister Eric Holder im Verlauf der kommenden Wochen als eine seiner letzten Amtshandlungen...

Sturz eines amerikanischen Helden

Einem der am höchsten dekorierten Generäle in der US-Geschichte droht eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Wie aus Regierungskreisen verlautet, wird US-Justizminister Eric Holder im Verlauf der kommenden Wochen als eine seiner letzten Amtshandlungen entscheiden, ob er den Empfehlungen der Bundesstaatsanwaltschaft folgt und David Petraeus wegen der illegalen Weitergabe streng vertraulicher Geheimdienstinformationen vor Gericht stellen wird. Dem pensionierten Viersternegeneral wird vorgeworfen, während seiner Zeit als CIA-Direktor seiner Biografin und Liebhaberin Paula Broadwell Zugang zu seinem E-Mail-Konto bei der Geheimdienstorganisation gewährt zu haben.So schnell ist kein anderer amerikanischer Held so tief gestürzt. Als Oberkommandeur der US-Streitkräfte sowohl in Afghanistan als auch Irak wurde er gefeiert wie kein anderer. Nach der Rückkehr in die USA wurde er von Präsident Barack Obama prompt an die Spitze des CIA berufen. Republikaner umwarben den Superstar Petraeus, der zwischenzeitlich sorgfältig sein Image kultiviert hatte, als möglichen Präsidentschaftskandidaten. Er hätte damals durchaus sämtliche anderen republikanischen Anwärter ausstechen können. Dann aber wurde ihm die Affäre mit der Armeereservistin Broadwell zum Verhängnis.Aufgeflogen war der Skandal, der 2012/2013 monatelang die Schlagzeilen beherrschte, weil Broadwell der 39-jährigen Jill Kelley, einer gemeinsamen Bekannten von ihr und Petraeus aus Florida, Drohbriefe geschrieben hatte. Die eifersüchtige Geliebte hatte in Kelley eine Nebenbuhlerin vermutet und sie aufgefordert, Abstand von Petraeus zu halten. Kelley wandte sich mit den Mails an das FBI, das sehr schnell Broadwell als Verfasserin der Briefe identifizierte.Unter ihren Mails fanden die Beamten außerdem eindeutige Korrespondenzen. Zunächst wurde vermutet, dass der CIA-Chef Opfer eines Hackerangriffs war. Als sich aber herausstellte, dass der seit über 37 Jahren verheiratete Kriegsheld eine Liebesbeziehung mit der deutlich jüngeren Frau hatte, war sein Sturz in Ungnade nicht mehr aufzuhalten. Im November 2012 musste Petraeus den Chefsessel der CIA verlassen. Auch seine Ambitionen auf eine Präsidentschaftskandidatur 2016 musste er über Nacht begraben. Heute hält er zwar lukrative Vorträge und arbeitet für die Investmentfirma Kohlberg Kravis Roberts. Nun aber liegt die Möglichkeit eines äußerst peinlichen Gerichtsverfahrens und einer langjährigen Gefängnisstrafe durchaus im Bereich des Möglichen.Ebenfalls im November 2012 hatte nämlich das FBI Festplatten und tausende von Dokumenten in Broadwells Haus in North Carolina beschlagnahmt. Nach sorgfältiger Prüfung der Unterlagen kamen die Ermittler zu dem Schluss, dass sie für ihr Buch vertrauliche Informationen erhalten hatte, die nur von Petraeus gestammt haben können. Staranwalt Robert Barnett, der den Viersternegeneral vertritt, wollte zu den jüngsten Vorwürfen zwar keine Stellung nehmen. Seit dem Auffliegen der Affäre hat Barnett allerdings mehrfach betont, dass sich sein prominenter Mandant abgesehen von dem Fehltritt in seinem Privatleben nichts habe zuschulden kommen lassen.Der Druck auf Justizminister Holder, dessen Nachfolge die New Yorker Staatsanwältin Loretta Lynch antreten wird, eine Entscheidung zu treffen, hat während der letzten Wochen jedenfalls deutlich zugenommen. Unter anderem hat Senator John McCain, Chef des Streitkräfteausschusses im Oberhaus, Holder aufgefordert, die Ermittlungen zu einem zügigen Abschluss zu bringen. Die Nation könne es sich nicht leisten, in einer Ära der andauernden Terrorbekämpfung “eine so wichtige Stimme wie die von Petraeus verstummen zu lassen und auf die kompetenten Einsichten und Erkenntnisse des Generals zu verzichten”, sagte McCain. Eine seiner letzten Amtshandlungen dürfte für Holder jedenfalls eine Gratwanderung werden. Ranghohe Militärs, unter denen der Skandal um Petraeus mehrere Opfer forderte, verlangen einen Verzicht auf den Prozess gegen einen “großen Patrioten”. Viele Amerikaner aber fühlen sich betrogen und wollen sehen, dass der General für seine Fehltritte wie jeder Zivilist geradestehen muss.