Suga dürfte Japans Premier werden
mf – Yoshihide Suga tritt wahrscheinlich die Nachfolge von Shinzo Abe als Premierminister von Japan an. Der 71-Jährige erklärte sich am Wochenende bereit, für den Vorsitz der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) zu kandidieren. Der Schritt kam nicht ganz überraschend: Schon vor dem Rücktritt von Abe hatte Suga mehrere hochrangige Medieninterviews gegeben, um sein öffentliches Profil zu stärken. Dabei stellte er sich jeweils ausdrücklich hinter Abe, um jede Dolchstoßlegende zu vermeiden.Laut japanischen Medien sicherte sich Suga die Unterstützung von Generalsekretär Toshihiro Nikai, dem einflussreichsten Strippenzieher innerhalb der LDP, die Japan seit 1955 fast ununterbrochen regiert. Der Chef der LDP wird aufgrund ihrer Dominanz im Parlament automatisch Regierungschef. Auch Finanzminister Taro Aso, Premierminister von 2008 bis 2009, stellte sich inzwischen angeblich hinter Suga. Verzicht auf ParteitagFür die anderen beiden Spitzenkandidaten zeichnet sich bisher keine klare Mehrheit ab. Dem laut Umfragen beliebtesten LDP-Politiker Shigeru Ishiba wird wohl zum Verhängnis, dass es keinen großen Parteitag geben wird. Stattdessen sollen Mitte September die 394 LDP-Abgeordneten sowie ihre 141 regionalen Vertreter den neuen Vorsitzenden wählen. Die einfache Mehrheit von 268 Stimmen genügt. Am 17. September würde der neue Parteichef im Parlament dann zum Premier gewählt. Angeblich bevorzugen die oberen LDP-Funktionäre wie Nikai diese Lösung, um eine Wahl von Ishiba zu verhindern. Bei einem regulären Parteitag würde er wohl die meisten Stimmen erhalten. Ex-Außenminister Fumio Kishida hat seinen Hut ebenfalls in den Ring geworfen. Aber ihm fehlt bisher eine ausreichende Zahl von Unterstützern aus den traditionellen LDP-Gruppierungen.Aufgrund der guten Wahlaussichten für Suga zogen an der Tokioter Börse die Kurse an. Denn Suga ist seit dem ersten Wahlsieg von Abe im Dezember 2012 der Chefsekretär jedes Abe-Kabinetts gewesen und verspricht damit sowohl politische Stabilität als auch eine Fortsetzung der ultralockeren Fiskal- und Geldpolitik. Was wie ein Beamtenposten oder nach Regierungssprecher klingt, ist ein bedeutendes Ministeramt. Zudem verantwortet Suga seit sechs Jahren das Portfolio für die US-Streitkräfte in Okinawa. Seit zwei Jahren ist er im Ministerrang auch für die nach Nordkorea entführten japanischen Staatsbürger zuständig. Suga gehörte über seine LDP-Funktionen zu den Steigbügelhaltern für die Rückkehr von Abe an die Parteispitze. Spekulationen über NeuwahlDie große Frage ist, wie machtbewusst Suga ist. Einige Analysten sehen ihn lediglich als Übergangspremier, der die Spitzenämter in Partei und Regierung bis zum September 2021 übernimmt. Dann wären auch die Amtszeiten von Abe abgelaufen. Einer Umfrage zufolge befürworten nur 19 % der Japaner diesen Ablauf. Andere Beobachter vermuten, Suga könnte als Premier das Parlament auflösen und sich bei einer vorzeitigen Neuwahl ein eigenständiges Mandat auf vier Jahre sichern.