Tanz um das goldene Olympiakalb von Tokio

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 14.3.2020 "Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt." Diese Liedzeilen von Pippi Langstrumpf beschreiben sehr gut, wie sich die Veranstalter der Olympischen Sommerspiele in Tokio gerade...

Tanz um das goldene Olympiakalb von Tokio

Von Martin Fritz, Tokio”Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt.” Diese Liedzeilen von Pippi Langstrumpf beschreiben sehr gut, wie sich die Veranstalter der Olympischen Sommerspiele in Tokio gerade verhalten. Während immer mehr Länder das öffentliche Leben einschränken, Schulen schließen und Sportveranstaltungen absagen, tun die Olympiaorganisatoren so, als ob die Pandemie sie nichts anginge. Trotzig halten sie an der Eröffnung am 24. Juli fest, obwohl nur noch vier Monate bis dahin bleiben.Am Donnerstag ließen sie in Griechenland das olympische Feuer entzünden, immerhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Am 26. März, also in weniger als zwei Wochen, soll dann der Fackellauf durch alle 47 Präfekturen von Japan beginnen. Am Startpunkt in einem Sportzentrum zwei Dutzend Kilometer südlich der AKW-Ruinen von Fukushima wird Yoshiro Mori, Organisationschef von “Tokyo 2020”, eine Rede halten. Dabei zählt der 82-jährige Ex-Politiker als hochbetagter Senior zur Risikogruppe für Covid-19.Ein Dementi jagt in Tokio das andere, sobald jemand die Sommerspiele öffentlich in Frage stellt. Als US-Präsident Donald Trump in einer Presserunde laut darüber nachdachte, die Austragung um ein Jahr zu verschieben, erhielt er wenig später einen Anruf vom japanischen Regierungschef Shinzo Abe, der ihn auf Linie brachte. Eine Verlegung komme nicht in Frage, beharrte Abe, die Vorbereitungen seien im Plan. Olympiaministerin Seiko Hashimoto bekräftigt überall ungefragt, weder das Internationale Olympische Komitee (IOC) noch die Organisatoren in Tokio zögen eine Absage oder Verschiebung in Betracht.Die Veranstalter verschließen ihre Augen vor der Realität, weil sie immer noch um das goldene Olympiakalb tanzen. Allen voran das IOC, das mit TV-Rechten, Sponsoring und Tickets 6 Mrd. Dollar einnehmen will. Der Schaden für Japans Wirtschaft ist schwerer abzuschätzen. Die Austragung und Vorbereitungen werden den Staat und die Stadt Tokio je nach Berechnung zwischen 11,4 Mrd. Euro und 20 Mrd. Euro kosten. Das meiste Geld ist jedoch schon für neue Infrastruktur ausgegeben. Und 46 japanische Unternehmen zahlen 3 Mrd. Euro für das Recht, mit dem olympischen Logo zu werben.Aus wirtschaftlicher Sicht wäre eine Verschiebung um zwei Jahre, wie sie Haruyuki Takahashi vom Organisationskomitee ins Spiel gebracht hat, die eleganteste Lösung. Dann kämen die Besucher und Touristen eben erst 2022. Kein einziger Athlet würde gefährdet. Der Sportkalender für das Jahr ist noch nicht voll, und das Coronavirus dürfte dann unter Kontrolle sein. Der Vorschlag war kein Versehen: Takahashi ist ein Ex-Manager von Japans größter Werbeagentur Dentsu, die die Spiele vermarktet. Aber es darf keinen Plan B geben, weil die Olympiafunktionäre trotzig auf ihren Mammon starren. Stattdessen will der schwache IOC-Präsident Thomas Bach die WHO entscheiden lassen.——Anderswo kommt das öffentliche Leben zum Erliegen – Tokio aber hält an Olympia fest.——