Lohnentwicklung

Tariflöhne sinken im ersten Halbjahr weiter

Trotz guter Tarifabschlüsse haben die deutschen Arbeitnehmer weniger Geld zur Verfügung. Diese Bilanz zieht das WSI. Mit Blick auf das zweite Halbjahr ist allerdings etwas Optimismus angebracht.

Tariflöhne sinken im ersten Halbjahr weiter

Tariflöhne sinken im ersten Halbjahr

Hohe Inflation frisst Gehaltserhöhungen auf – Reales Lohnminus von 1,7 Prozent

ast Frankfurt

Die deutschen Arbeitnehmer haben trotz kräftiger Lohnsteigerungen dennoch weniger Geld zur Verfügung. Wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in seiner Halbjahresbilanz am Donnerstag mitteilte, gaben die Tariflöhne im ersten Halbjahr preisbereinigt um 1,7% nach. Grund ist die nach wie vor zu hohe Inflation: So legten die Löhne nominal gesehen um 5,6% – und damit mehr als doppelt so stark zu wie 2022 – doch die Verbraucherpreise erhöhten sich mit rund 7,4% noch stärker. Das WSI wertete für die Zwischenbilanz die bisherigen Neuabschlüsse des ersten Halbjahres 2023 aus.

Inflationsprämien lindern Verlust

Wie die Ökonomen mitteilten, konnte die Wirkung der steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichsprämien allerdings nicht in vollem Umfang berücksichtigt werden, da diese sich je nach individuellem Steuersatz unterschiedlich niederschlage. „In vielen Tarifbereichen tragen die vereinbarten Prämien zur Kaufkraftsicherung bei“, hieß es dazu vom WSI. „Bei einem Teil der Beschäftigten dürfte der Reallohnverlust daher deutlich kleiner ausfallen.“ Für das zweite Halbjahr erwarten die Ökonomen Entspannung für die Arbeitnehmer: „Allerdings kann im zweiten Halbjahr 2023 mit einem starken Rückgang der Inflation gerechnet werden, so dass am Jahresende eine deutlich positivere Tarifbilanz absehbar ist, bei der die Reallohnverluste stärker begrenzt werden.“

Für etwa 9,2 Millionen Beschäftigte werden laut WSI in diesem Jahr Tariferhöhungen wirksam, die schon vor Jahresbeginn mit mehrjähriger Laufzeit ausgehandelt wurden. Dazu gehören etwa die Metall- und Elektroindustrie sowie die chemische Industrie, wo sich Gewerkschaften und Arbeitgeber bereits im Herbst einigen konnten. In den ersten sechs Monaten 2023 kamen Tarifanpassungen für weitere 4,4 Millionen Beschäftigte hinzu.

Für das laufende Jahr gilt es aber noch einige Tarifkonflikte zu lösen. Vor allem im Einzelhandel sowie im Groß- und Außenhandel besteht laut Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs, noch Redebedarf. „Angesichts der sich deutlich eintrübenden Konjunkturaussichten darf es zu keinem weiteren Einbruch beim privaten Konsum kommen“, mahnte er. Deshalb ist es nach seiner Analyse „besonders wichtig, dass auch im zweiten Halbjahr 2023 die Tariflohndynamik weiter anhält und Kaufkraftverluste möglichst vermieden werden“.

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