Tatenlosigkeit der Notenbank setzt Lira zu

Türkische Währungshüter tasten Leitzins nicht an

Tatenlosigkeit der Notenbank setzt Lira zu

rec Frankfurt – Trotz des ungebremst voranschreitenden Verfalls der Lira hat die türkische Notenbank gestern auf die Erhöhung ihres Leitzinses verzichtet. Sie tastete den Satz für Refinanzierungsgeschäfte mit einer Laufzeit von einer Woche wie schon im Juni nicht an und beließ ihn stattdessen bei 8,25 %. Analysten hatten wegen des von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ausgeübten Drucks auf die Währungshüter damit gerechnet, dass diese vor der angeratenen Anhebung des Leitzinses zurückschrecken. Trotzdem setzte der Beschluss der türkischen Landeswährung weiter zu.Erdogan dringt nach neun Zinssenkungen seit vorigem Sommer auf weitere Schritte nach unten – ungeachtet des hohen Preisdrucks und der taumelnden Währung. Anhaltend zweistellige Teuerungsraten von zuletzt 11,8 % haben die Notenbank bereits dazu veranlasst, ihren Inflationsausblick für das Jahresende von 7,4 auf 8,9 % zu erhöhen. Beobachter halten selbst das für untertrieben.Statt eines direkten Eingriffs beim Leitzins haben die Währungshüter über die Abschaffung von Rabatten für Zentralbankliquidität und den Einsatz ähnlicher Instrumente die Refinanzierungskosten für Geschäftsbanken von rund 7,4 % im Juli auf nun circa 9,4 % erhöht. ING-Analyst Muhammet Mercan verweist darauf, dass der Notenbank selbst bei unverändertem Leitzins weiterer Spielraum bleibt, den effektiven Refinanzierungssatz auf etwa 11 % zu schrauben. Das soll die Inflation bändigen. Außerdem hat die Zentralbank in großem Stil auf ihre Währungsreserven zurückgegriffen, um die Lira zu stützen. Beides hatte bislang wenig Erfolg.In ihrer Mitteilung zur aktuellen Zinssitzung untermauern die Währungshüter das Ziel, den “zugrunde liegenden Trend einer rückläufigen Inflationsrate” fortzusetzen. Tatsächlich hat der Anstieg der Verbraucherpreise von einem zwischenzeitlichen Zweijahreshoch im Juni (12,6 %) leicht nachgelassen. Der nach wie vor deutlich negative Realzins von knapp 4 % und die Lira-Schwäche verunsichern Beobachter aber. Für Sören Hettler, Analyst der DZ Bank, lassen diese beiden Faktoren “derartige Lippenbekenntnisse alles andere als glaubwürdig erscheinen”. Vielmehr riskierten die Währungshüter “einen weiteren Vertrauensverlust von Seiten der Investoren”. Hettler: “Mit ihrer Zurückhaltung hat die türkische Zentralbank eine weitere Chance ausgelassen, marktseitiges Vertrauen zurückzugewinnen, die Transparenz ihrer Geldpolitik zu verbessern und den offiziellen Leitzins in seiner Steuerungsfunktion für die Finanzmärkte zu rehabilitieren.”Unter den großen Schwellenländern kommt die Türkei bislang vergleichsweise glimpflich durch die Coronakrise. Hoffnung ruht nun vor allem darauf, dass sich der Tourismus und damit eine wichtige Devisenquelle nachhaltig erholt.