DIE ÖKONOMISCHE ORDNUNG ZERBRICHT

Territorialstreit rund um den Pazifischen Ozean

Alte Streitfälle heizen neue Konflikte an

Territorialstreit rund um den Pazifischen Ozean

Von Ernst Herb, HongkongIm westlichen Pazifik schwimmt nicht nur ein schwarzer Schwan, sondern ein ganzer Schwarm dieser Unglück verheißenden Wasservögel. Lange überdeckte allerdings ein blühender interregionaler Handel viele der aus historischen Animositäten und aus Rivalitäten neueren Datums stammenden Gefahrenherde. Doch hat der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg Chinas zu einer globalen Supermacht und die offenkundige Schwäche des langjährigen Hegemonen USA in der asiatisch-pazifischen Region eine ganze Reihe von längst erloschen geglaubten geostrategischen Konfliktherden wieder aufflammen lassen.Das von Nordkorea vorangetriebene nukleare Aufrüstungsprogramm hat lange vor den Aussagen des neuen US-Präsidenten Donald Trump über die in den Augen Chinas abtrünnige Provinz Taiwan nie vergessen lassen, dass Ostasien ein gefährlicher Ort bleibt. Für den ehemaligen australischen Premierminister Kevin Rudd geht von den Spannungen in der koreanischen Halbinsel die größte Gefahr für die Stabilität der Region aus. Doch auch abgesehen von den nordkoreanischen Atombomben und den Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans scheint keine Insel zu klein zu sein, um potenziell nicht eine brennende Lunte am Pulverfass zu werden.So etwa die im Südchinesischen Meer liegenden Spratly-, Paracel- und Zhongsa-Atolle, über deren Anspruch China unter anderem mit den Philippinen und Vietnam streiten. Japan verlangt seinerseits von Russland die am Ende des Zweiten Weltkriegs verlorenen Kurilen zurück. Südkorea wiederum hat bis heute nicht verkraftet, dass die im Japanischen Meer liegenden Liancourt-Felsen von Tokio und nicht von Seoul aus verwaltet werden.Allein die Größe der Inseln, Atolle oder auch aus dem Wasser ragenden und meist unbewohnten Felsen zeigt, dass es bei den Streitigkeiten meist nicht in erster Linie um die Territorien selbst, sondern um die sie umgebenden reichen Fischgründe, Bodenschätze und meist vor allem um geostrategische Vorteile geht. Die damit verbundenen Risiken sind dieser Tage umso größer, da viele der involvierten Regierungen dieser Tage mit innenpolitischen Herausforderungen konfrontiert sind, die ihnen wenig Zeit zur Lösung außenpolitischer Probleme lassen. Das zeigt etwa das Absetzungsverfahren gegen die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye. Wegen der innenpolitischen Krise musste ein auf Ende Dezember geplantes Treffen der Regierungs- und Staatschefs Chinas, Japans und Südkoreas auf einen unbestimmten Zeitpunkt im neuen Jahr verschoben werden.Welche gefährlichen Folgen ein verpasstes Krisenmanagement haben kann, zeigt der Konflikt im Südchinesischen Meer. Abgelenkt von ihren militärischen Abenteuern in Nahost vernachlässigten die USA ihre strategischen Interessen. Das Machtvakuum füllte China. Es waren aber nicht die Armee, sondern chinesische Erdölkonzerne und Fischer, die mit ihrer kommerziell getriebenen Expansion die Region ins Zentrum von Pekings Außenpolitik gerückt haben. Die Regierung versäumte es dann, die breitspurig auftretenden Militärs rechtzeitig zurückzupfeifen. Auch darum verlegten die USA im Zuge ihrer strategischen Hinwendung nach Asien nun einen Großteil der Flotte in den Pazifik. Kreative EntschärfungDas muss nicht heißen, dass dies auf eine militärische Konfrontation hinauslaufen muss. So hat sich im japanischen-russischen Verhältnis jüngst gar eine Entspannung abgezeichnet, die eine baldige Lösung der Kurilen-Frage möglich erscheinen lässt. Die Philippinen wiederum haben mit dem Aufruf eines internationalen Schiedsgerichtes im territorialen Streit mit China Recht bekommen. Peking kennt das Urteil zwar nicht an, doch hat ein Regierungswechsel in Manila es wahrscheinlicher gemacht, dass die Fischgründe und Rohstoffe zukünftig gemeinsam genutzt werden.Die USA wiederum, die – wie China in der Südchinasee – hochumstrittene Ansprüche über riesige Gebiete im zentralen Pazifik postulieren, haben ihrerseits gezeigt, wie man territoriale Dispute auch auf kreative Art und Weise entschärfen kann: Die Administration Obama hat dort 2014 ein Meerschutzgebiet von der Größe Westeuropas geschaffen und es zur Freude der Fische und Naturschützer der kommerziellen und – zumindest in Friedenszeiten – auch der militärischen Nutzung entzogen.