NOTIERT IN MADRID

Testlauf in Andalusien

Am Sonntag fällt in Andalusien der Startschuss für den langen Wahlmarathon 2015, in dem sämtliche Kommunen, fast alle Regionen und schließlich auch das nationale Parlament neu gewählt werden. Der mit 8,5 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste...

Testlauf in Andalusien

Am Sonntag fällt in Andalusien der Startschuss für den langen Wahlmarathon 2015, in dem sämtliche Kommunen, fast alle Regionen und schließlich auch das nationale Parlament neu gewählt werden. Der mit 8,5 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Landesteil Spaniens gilt als wichtiger Testlauf, auch wenn im sonnigen Süden zwischen Huelva und Almería sehr eigene Ausgangsbedingungen herrschen. Andalusien ist eine Sozialisten-Hochburg: Die PSOE ist dort seit mehr als drei Jahrzehnten an der Macht. Sie hat in der Region mit der höchsten Arbeitslosenquote des Landes (36 %) starke Strukturen aufgebaut, vor allem in den ländlichen Gebieten, die von Subventionen abhängen. Die Region ist, abgesehen vom Tourismus an der Costa del Sol und rund um die Alhambra von Granada sowie der Landwirtschaft, chronisch strukturschwach. Die Sozialisten haben derzeit in allen Umfragen die Nase deutlich vorn, sind jedoch weit entfernt von den absoluten Mehrheiten, die sie in früheren Zeiten regelmäßig einfuhren.Aber ein Sieg ist wichtig für die Moral der Partei, die trotz des Führungswechsels in Spanien im Umfragetief festhängt. Ein besonders gutes Ergebnis in Andalusien würde auch die Chancen von Ministerpräsidentin Susana Díaz erhöhen, statt des Generalsekretärs Pedro Sánchez Spitzenkandidatin für die nationalen Wahlen zu sein, die voraussichtlich am Jahresende stattfinden. Für die konservative Volkspartei (PP) von Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy geht es in Andalusien vor allem darum, den Totalabsturz, den Umfragen voraussagen, zu verhindern. Denn die positive konjunkturelle Entwicklung in jüngster Zeit – Volkswirte erwarten für 2015 ein Wachstum von bis zu 3 % – hat sich nach wie vor kaum auf die Zustimmung für die PP und Rajoy ausgewirkt. Dies gilt nicht nur in Andalusien. *Das größte Interesse gilt dem Abschneiden der zwei neuen politischen Akteure. Andalusien ist der erste Test für Podemos, seit die mit der griechischen Syriza seelenverwandte Linkspartei bei den Wahlen zum Europaparlament im Mai 2014 mit einem Stimmenanteil von 8 % plötzlich auf der politischen Bühne erschien und seitdem mit den beiden Volksparteien PP und PSOE auf gleicher Höhe liegt – zumindest in Umfragen. Am Sonntag wird sich zeigen, ob sich dieser Zuspruch auch in Wählerkreuzen abbildet. Die Demoskopen sehen Podemos in Andalusien bei rund 15 %. Ebenso gespannt ist man auf das Wahlergebnis von Ciudadanos, dem neuesten Phänomen in der spanischen Politik. Die Partei stammt aus Katalonien, wo sie vor acht Jahren als moderat rechte Antwort auf die zunehmende Stärke der Nationalisten groß geworden ist. Ihr Anführer Albert Rivera will nun landesweit angreifen, dafür baut Ciudadanos im Eiltempo für die Regional- und Kommunalwahlen lokale Strukturen auf. Das Programm ist eine Mischung aus sozialdemokratischen und liberalen Grundsätzen, mit dem die Partei sowohl der PP und als auch der PSOE die Wähler der Mitte abjagen will. Andalusien ist die erste Probe. Umfragen trauen Ciudadanos (“Die Bürger”) mehr als 10 % zu.Die Erwartungen in ganz Spanien gelten nicht nur dem Ergebnis und der Zahl der Abgeordneten, die jede Partei ins Parlament von Sevilla entsenden wird. Vieles deutet daraufhin, dass es eine Koalition oder zumindest engere Absprachen geben wird. Wer mit wem und unter welchen Bedingungen, das ist seit Wochen auch ein beliebtes Thema nationaler Medien. Denn die jüngsten Studien sehen PP, PSOE, Podemos und Ciudadanos auf nationaler Ebene beinahe gleichauf – ein einmaliger Vorgang in einem politischen System, das nach dem Ende der Franco-Diktatur bewusst auf das Wechselspiel der zwei Volksparteien zugeschnitten wurde. Seit Anfang der 1980er Jahre haben PSOE und PP in Madrid regiert, zeitweise mit Minderheitsregierungen. Doch dies scheint nun Vergangenheit. Spanien könnte 2016 erstmals von einer Koalition geführt werden. Dies gab es bislang nur auf regionaler Ebene – mit ernüchternden Ergebnissen. Anleger und Analysten sehen in dem ungewissen politischen Horizont derzeit einen der wichtigsten Risikofaktoren. Andalusien könnte ein wenig Klarheit verschaffen.