Teststrategie wird zur Belastungsprobe

Laborbranche warnt vor Engpässen in Pandemie - Bundesregierung macht ausreichend Kapazitäten aus

Teststrategie wird zur Belastungsprobe

sp Berlin – Die Strategie von Bund und Ländern, die Corona-Pandemie mit Tests im großen Stil und unabhängig von Symptomen bei den Testpersonen zu bekämpfen, führt die Labore nach Einschätzung von Branchenvertretern an ihre Belastungsgrenze. Anders sieht es die Bundesregierung, die noch reichlich Kapazitäten für Coronatests in Deutschland ausmacht und nur von lokalen Engpässen spricht. Bei den Bund-Länder-Gesprächen am nächsten Donnerstag, an denen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Regierungschefs der Länder teilnehmen werden, dürfte die Teststrategie dennoch auf den Prüfstand kommen.Die Auslastung der Labore in der Vorwoche hat mit etwas mehr als 750 000 Tests knapp 75 % erreicht, wie der Verband Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) jüngst mitteilte. “Um bundesweit ausreichend Reserven für anlassbezogene Testungen wie in Ausbruchsituationen zur Verfügung zu haben, sollten die Kapazitäten nur zwischen 65 bis 80 % belastet werden”, schreibt der Verband, der mehr als 200 medizinische Labore mit 900 Fachärzten und 25 000 Mitarbeitern vertritt.Engpässe könnten bereits bei der aktuellen Auslastung entstehen, wenn zusätzlich zu den Testungen der Reiserückkehrer noch regionale Ausbrüche zu verzeichnen wären, heißt es beim ALM. Das scheinen auch die jüngsten Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zu belegen, das für die Woche vom 10. bis 16. August einen Rückstau von 17 142 abzuarbeitenden Proben von Coronatests in deutschen Laboren meldet.41 Labore hätten zuletzt Lieferschwierigkeiten für Reagenzien genannt, heißt es im Epidemiologischen Bulletin des RKI. Bei weiter steigender Testzahl und Lieferengpässen wegen weltweit steigender Nachfrage könnten sich die freien Kapazitäten der Labore in den nächsten Wochen reduzieren, warnt das Institut. Das RKI zählte in einer Umfrage unter 250 teilnehmenden Testlaboren für die Kalenderwoche 33 eine Zahl von 875 000 Coronatests (siehe Grafik). Die Tests wurden zuletzt an den Grenzen bei Reiserückkehrern ausgeweitet, aber auch an Schulen, im Gesundheitsbereich oder in der Fleischindustrie.Die Bundesregierung sieht die Belastungsgrenze der Labore bei einer Testkapazität von derzeit 1,2 Millionen pro Woche noch nicht erreicht. Es gebe keinen Engpass, sondern in Einzelfällen vorübergehend Schwierigkeiten, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin.Etwas anders hört es sich beim ALM an, der die Teststrategie von Bund und Ländern – “Testen, testen, testen” – unterstützt, aber eine stärkere Betonung auf die Zielgenauigkeit legt. Bisher habe man regionale Spitzen zwar gut abgedeckt, sagt ALM-Vorstand Jan Krame. “Ich wage nicht daran zu denken, was passiert, wenn wir bei dauerhaft zu hoher Auslastung keine Reserven mehr für weitere Hotspots haben”, warnt der Internist und Facharzt für Laboratoriumsmedizin. Auch die Wirtschaft warntWarnungen kamen vor dem Wochenende erneut von Wirtschaftsvertretern, die wegen steigender Neuinfektionszahlen einen zweiten Lockdown fürchten. Die deutsche Wirtschaft wäre dann “für Jahre, vielleicht sogar ein Jahrzehnt schwer geschädigt”, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, dem Magazin “Focus”.