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Tharman Shanmugaratnam könnte nächster Premier von Singapur werden

Von Ernst Herb, Singapur Börsen-Zeitung, 27.2.2015 Wenn im kommenden Herbst Singapur seinen 50. Geburtstag feiert, so geschieht das auch unter dem Vorzeichen einer politischen Zäsur. Der an einer Lungenentzündung erkrankte ehemalige Premierminister...

Tharman Shanmugaratnam könnte nächster Premier von Singapur werden

Von Ernst Herb, SingapurWenn im kommenden Herbst Singapur seinen 50. Geburtstag feiert, so geschieht das auch unter dem Vorzeichen einer politischen Zäsur. Der an einer Lungenentzündung erkrankte ehemalige Premierminister Lee Kuan Yew, der bis heute aus dem Hintergrund einen prägenden Einfluss auf seine Heimat ausübt, ringt im Krankenhaus mit dem Tod. Auch musste sich der Sohn des 91-Jährigen, der regierende Premier Lee Hsien Leong, Mitte Februar einer Krebsbehandlung unterziehen. Mittlerweile konnte der 63-Jährige seine Arbeit zwar wieder aufnehmen, doch ist die Frage in den Vordergrund gerückt, wer das nach Brunei reichste Land Südostasiens nach dem Ende der Lee-Ära regieren wird. Favorit der AusländerEin in diesem Zusammenhang immer wieder gehörter Name ist Tharman Shanmugaratnam, Singapurs Finanz- und stellvertretender Premierminister. Dass ihm gerade Ausländer eine gute Chance auf die Spitze der Regierung zuschreiben, macht ihn zwar noch nicht zum absoluten Favoriten, doch ist es auch kein Zufall. Der 57-jährige Politiker ist international bestens vernetzt. So steht er dem Leitungsausschuss des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor und ist Mitglied in der Group of 30, der die 30 global einflussreichsten Finanzpolitiker, Banker und Ökonomen angehören. Obwohl Singapur von der globalen Finanzkrise nur marginal betroffen war, spielte Tharman bei ihrer Bewältigung eine wichtige Rolle. Das nicht zuletzt, weil er seine Heimat im Gremium der G 20 vertritt und dort für die Interessen kleiner Volkswirtschaften, die gleichzeitig auch große Finanzplätze sind, einsteht, was gerade für die Schweiz von Bedeutung war. Herr zahlreicher ÄmterTharman, der für die People’s Action (PAP) im Parlament sitzt, spielt indes vor allem im Wirtschaftsleben seiner Heimat eine zentrale Rolle. Das nicht in erster Linie, weil er für die solide Haushaltsführung des Stadtstaates verantwortlich ist. Seine Position ist auch deshalb so herausragend, weil er zugleich auch Vorsitzender der Singapore Monetary Authority (SMA) – der Zentralbank – ist. Dort ist er aber nicht nur höchster Währungshüter, sondern auch Aufseher der Banken und des Finanzmarktes und steuert überdies die Strukturentwicklung des Finanzplatzes. Das ist umso einfacher, sitzt der an der London School of Economics, in Cambridge und Harvard ausgebildete Ökonom und Verwaltungsfachmann auch im Verwaltungsrat des Singapurer Staatsfonds GIC, in dem je nach Schätzung 300 bis 1 000 Mrd. Dollar liegen. GIC ist der größte Einzelaktionär der Schweizer Großbank UBS.In den Augen der Finanzbranche würde all dies Tharman das Tor zum Amt des Premiers weit öffnen. Doch hat er solche Ambitionen bisher immer von sich gewiesen. Obwohl er mit einem Gehalt von fast1 Mill. Dollar einer der weltweit am besten bezahlten Finanzminister ist, könnte er wohl leicht in den Privatsektor wechseln. In der Vergangenheit wurde er auch wiederholt als künftiger IWF-Geschäftsführer gehandelt.Sollte er indes weiter in der politischen Hierarchie seiner Heimat aufsteigen wollen, hätte er allerdings nicht nur mit innerparteilichen Rivalen zu kämpfen, sondern auch mit einer abnehmenden Popularität der seit 50 Jahren herrschenden PAP. Als Zahlmeister seines Landes ist er vor allem wegen der von vielen Bürgern als unzureichend empfundenen Sozialleistungen wenig populär. Auch gehört der tamilischstämmige Tharman in dem von den Nachkommen chinesischer Einwanderer dominierten Singapur einer Minderheit an. Es müsste sich erst zeigen, ob in Singapur so wie in den USA mit Barack Obama ethnische Schranken überwunden werden können. Er selbst hat damit keine Mühe. Die Vorfahren seiner Frau, der Anwältin Jane Yumik Ittogi, sind Japaner und Chinesen. Das Paar hat vier Kinder.