Theresa May geht auf Labour zu

Zustimmung zu Austrittsvertrag Voraussetzung für gemeinsames Angebot an die EU - Fristverlängerung

Theresa May geht auf Labour zu

Theresa May hat parteiübergreifende Gespräche angekündigt, um einen tragfähigen Brexit-Deal zu formulieren. Dafür bedürfe es einer Verlängerung der Austrittsfrist. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier sagte, die Zustimmung zum Austrittsvertrag sei “der einzige Weg” zu einem geregelten EU-Austritt.hip/ahe London/Brüssel – Die britische Premierministerin Theresa May hat sich für eine weitere kurze Verlängerung der Austrittsfrist ausgesprochen, um Gespräche mit Labour-Chef Jeremy Corbyn über einen gemeinsamen Plan zur Lösung des Brexit-Dilemmas zu verhandeln. Die Verlängerung soll “so kurz wie möglich” ausfallen, um keine Teilnahme Großbritanniens an den Wahlen zum EU-Parlament erforderlich zu machen, sagte sie, nachdem ihr Kabinett insgesamt länger als sieben Stunden getagt hatte. Einzig die Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt hatte die Sitzung vorzeitig verlassen, was prompt Spekulationen über einen Rücktritt der Brexit-Befürworterin auslöste. Immerhin verlor May während ihrer Amtszeit bereits 15 Regierungsmitglieder,Voraussetzung für ein gemeinsames Angebot an die EU sei allerdings die Zustimmung zum bereits von der Verwaltung mit Brüssel ausgehandelten Austrittsvertrag, sagte May. Die EU habe bereits klargemacht, dass es keine Nachverhandlungen der Übereinkunft geben werde. Damit zeichnet sich ab, dass die Parteichefin der Tories ihren Deal dem Unterhaus ein viertes Mal vorlegen will. Weil weder die nordirischen Unionisten noch die Brexiteers aus den eigenen Reihen Bereitschaft zeigen, dafür zu stimmen, soll nun offenbar die Opposition die nötige Mehrheit liefern. Im Gegenzug bietet sie Corbyn Änderungen an der politischen Erklärung über die künftigen Beziehungen zu der Staatengemeinschaft an. Sollten die Verhandlungen mit Labour scheitern, bot sie indikative Abstimmungen im Unterhaus über das weitere Vorgehen an, an deren Ergebnis sich die Regierung halten würde. “Auch wenn wir nach dem heutigen Tag nicht wissen, was das Ergebnis sein wird, lasst uns geduldig sein”, twitterte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach der Ansprache Mays.Bei den vier indikativen Abstimmungen, die auf Initiative von proeuropäischen Abgeordneten am Montagabend im Unterhaus stattfanden, hatte es erneut keine Mehrheit für eine der zur Wahl gestellten Brexit-Alternativen gegeben. Nachdem auch sein Vorschlag für einen “Gemeinsamen Markt 2.0” nicht angenommen wurde, verließ der Hinterbänkler Nick Boles, wie Oliver Letwin ein Gewährsmann David Camerons, die konservative Partei. Er schloss sich allerdings nicht der neuen Abgeordnetenvereinigung TIG (The Independent Group) an, sondern will dem Unterhaus künftig als “unabhängiger progressiver Konservativer” angehören.In der EU wuchs derweil die Angst vor einem ungeregelten Austritt. “Ein harter Brexit wird nun fast unausweichlich”, warnte der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, auf Twitter. Man nähere sich auf “gefährliche Weise einem Brexit ohne Abkommen an”, erklärte gestern auch der französische Finanzminister Bruno Le Maire. Sein Präsident Emmanuel Macron sagte, man solle es nicht für gegeben halten, dass die EU einer langen Verlängerung der Austrittsfrist über den 12. April hinaus zustimmen werde. “Der einzige Weg”EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis warnte noch einmal vor den Folgen eines ungeregelten Austritts Großbritanniens. “Wir werden nicht in der Lage sein, alle möglichen negativen wirtschaftlichen Auswirkungen abzumildern”, sagte er. Es werde zu Störungen kommen. Nach Einschätzung von Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau haben auch die Börsen die gestiegene Gefahr eines harten Brexit noch nicht ausreichend berücksichtigt. Die Märkte müssten dieses Risiko aber in die Kurse aufnehmen, auch beim britischen Pfund.EU-Chefunterhändler Michel Barnier machte noch einmal deutlich, dass der ausgehandelte Austrittsvertrag “der einzige Weg” sei, mit dem die Briten die Europäische Union in geregelter Weise verlassen könnten. Sollte das britische Unterhaus den Austrittsvertrag in den nächsten Tagen doch noch annehmen, könnte der für kommende Woche geplante EU-Sondergipfel eine kurze Verschiebung der Brexit-Frist bis zur Europawahl beschließen. Auch die Regierungschefs der drei Benelux-Staaten riefen das Parlament in London noch einmal dazu auf, dem ausgehandelten Vertrag zuzustimmen. “Wir wollen keinen harten Brexit”, sagte Belgiens Ministerpräsident Charles Michel. “Aber wir wissen im Moment nicht, was sie im Unterhaus wirklich wollen.”Weitere Abstimmungen wollen sie: Eine überparteiliche Gruppe um die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper will die Regierung auf diese Weise zwingen, Brüssel um eine erhebliche Verlängerung der Austrittsfrist zu bitten, um einen Hard Brexit am 12. April zu vermeiden. Und am kommenden Montag sollen weitere “indikative” Abstimmungen stattfinden.