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Torsten Albig - der Mann ohne Schnörkel im Norden

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 8.5.2012 Torsten Albig liebt keine Umwege. Er ist mehr für das Direkte. Deshalb versuchte der Spitzenkandidat der SPD für das Ministerpräsidentenamt in Schleswig-Holstein am Wahlabend das Ergebnis auch...

Torsten Albig - der Mann ohne Schnörkel im Norden

Von Angela Wefers, BerlinTorsten Albig liebt keine Umwege. Er ist mehr für das Direkte. Deshalb versuchte der Spitzenkandidat der SPD für das Ministerpräsidentenamt in Schleswig-Holstein am Wahlabend das Ergebnis auch nicht schönzufärben: “Das war nicht das, was ich euch versprochen habe”, gab der amtierende Kieler Oberbürgermeister zu, als er nach den ersten Hochrechnungen vor seine Parteigenossen trat. Rund 40 % hatten Albig und die SPD als Wahlziel ausgegeben, um die CDU deutlich abzuhängen und den Regierungswechsel im Norden herbeizuführen. Stattdessen steigerten sich die Sozialdemokraten nur auf etwas mehr als 30 %. Chancen als LandeschefDennoch sieht es so aus, als würde der nächste Ministerpräsident von Schleswig-Holstein tatsächlich Torsten Albig heißen. CDU und SPD liegen gemessen an den Sitzen im Landtag gleichauf, nur prozentual hat die CDU einen hauchdünnen Vorsprung. Zur Fortsetzung einer schwarz-gelben Koalition mit Jost de Jager (CDU) an der Spitze, dem bisherigen Wirtschaftsminister des Landes, reichte es mit der FDP nicht. Der CDU fehlt eine Alternative.Rot-Grün kommt aber auch nur dann auf eine Mehrheit von nur einer Stimme, wenn die – durchaus willige – Partei der dänischen Minderheit SSW (Südschleswigscher Wählerverband) mit ins Boot steigt. Die mit einem Sprung ins Parlament gelangten Piraten scheinen zudem bereit zu sein, diese Kombination zu unterstützen, ohne dass sie selbst in die Regierung streben. Nur für den Fall, dass es zu einer großen Koalition kommen sollte, müsste Albig de Jager den Vortritt lassen.Damit dürfte es wieder eine glückliche Verkettung von Umständen geben, die Albig ein neues Amt und eine neue Aufgabe bescheren. Denn eine Karriere als aktiver Politiker hatte der 48-Jährige keineswegs von Beginn an im Sinn.Das Amt des Kieler Oberbürgermeisters fiel ihm 2009 eher überraschend zu. Die SPD hatte 2007 verzweifelt nach einem zugkräftigen Kandidaten gesucht. Die Chancen auf einen Wahlsieg waren indessen gering. Albig, gebürtiger Bremer, war zwar von 2002 bis 2006 Kämmerer der Stadt, weilte aber zum Zeitpunkt seiner Bewerbung für das Oberbürgermeisteramt im fernen Berlin – als Sprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Dort rettete er Banken und übte zusammen mit dem einstigen Minister, mit dem ihn immer noch ein herzliches Verhältnis verbindet, Krisenmanagement. Nur am Wochenende pendelte er zur Familie in den Norden. Bei geringer Wahlbeteiligung hievte er dennoch in Kiel die als sicher gesetzte CDU-Kandidatin aus dem Amt.Für Steinbrück war Albig in Berlin mehr als nur ein Sprecher. Als strategischer Berater nahm er im Lenkungsstab des Finanzministeriums deutlichen Einfluss. Auch darin hatte er bereits Übung. Der Jurist, der in Bielefeld studierte und dessen sportliches Herz seitdem für die Arminia schlägt, füllte diese Position schon einige Jahre zuvor aus. Nach einem Trainee in der Commerzbank und dem Eintritt in den höheren Dienst der Steuerverwaltung – zunächst in Kiel und später in Bonn – wechselt er 1996 in die SPD-Parteizentrale der damaligen Bundeshauptstadt. Dort war er im kleinen Stab von Oskar Lafontaine für die Steuerthemen zuständig und bereitete mit dem damaligen Parteivorsitzenden den Regierungswechsel 1998 vor. Mit Lafontaine zog er auch ins Finanzministerium, wurde kurz darauf zu seinem Sprecher ernannt und blieb Hans Eichel (SPD) erhalten, der Lafontaine nachfolgte, als dieser nach nur wenigen Wochen im Amt das Handtuch warf. Strategischer Berater der SPDDass Albig nicht nur “his master’s voice” ist, zeigte sich schon gleich zu Anfang: Er sprang Lafontaine in Pressekonferenzen mit Details hilfreich bei, wenn dieser passen musste. Auch für Eichel war Albig ein pragmatischer Berater, der dessen “Politik der Leitplanken” – gemeint sind Steuersenkungen bei gleichzeitiger Haushaltskonsolidierung – öffentlich propagierte. 2001 wagte Albig aber wieder einen Schritt auf neues Terrain: Er ging zur Dresdner Bank nach Frankfurt als Sprecher des Institutes. Das verhieß nicht nur berufliche Abwechslung, sondern auch eine attraktivere Bezahlung. Doch die Freude währte nur kurz. Wenig später übernahm die Allianz die Bank. Nicht nur das Kreditinstitut geriet in Abhängigkeit, auch für den Sprecher war die Arbeit damit weniger interessant. Albig bewarb sich als Kämmerer in Kiel. Die engen Restriktionen eines Gemeindeetats, die ihn dazu zwangen, viele Wünsche abzuschlagen, hatten seinem Ansehen offensichtlich nicht geschadet.Der Weg zum SPD-Spitzenkandidaten in Schleswig-Holstein war nicht eben. Dabei musste er parteiintern den wenig beliebten und linksgerichteten Landesvorsitzenden Ralf Stegner überflügeln. Dies gelang Albig nicht zuletzt mit seiner erfrischend offenen Art. Politisch ist Albig am rechten Flügel der SPD zu verorten. Steinbrück hat ihn im Wahlkampf mehrfach unterstützt. Albig steht für solide Finanzen – und bleibt damit seiner Linie treu, die er schon in Berlin vertreten hatte.Investitionen in gute Bildung sollen die hohen sozialen Folgekosten senken. Verbunden mit “großer Sparsamkeit bei den Ausgaben” will Albig Schleswig-Holstein wieder zu einem ausgeglichenen Haushalt führen. Diese Aufgabe ist durchaus anspruchsvoll: Der Stabilitätsrat von Bund und Ländern hatte im Mai 2011 im Norden eine “drohende Haushaltsnotlage” festgestellt. Neben dem Saarland, Bremen und Berlin gehört Schleswig-Holstein zu den vier Bundesländern, die in einem Sanierungsverfahren stecken. Für einen neuen Ministerpräsidenten gibt es also einiges zu tun.