Torsten Hinrichs 60
Von Archibald Preuschat, FrankfurtStatthalter sein, das hat Torsten Hinrichs nicht gereicht. 15 Jahre lang arbeitete Hinrichs für die Ratingagentur Standard & Poor’s. Zu seinen Aufgaben gehörte die Geschäftsführung des Bereichs Europa, Naher Osten und Afrika ebenso wie die Büroleitung in Stockholm sowie die Büroleitung in Frankfurt mit Verantwortung für die deutschsprachigen Länder. 2014 hing der im baden-württembergischen Hornberg im Ortenaukreis geborene Hinrichs seine Karriere bei der US-Agentur an den Nagel und stieg weiter oben, nur eben (mindestens) eine Liga tiefer ein: als Chef Operating Officer bei de Scope Group und alleiniger Geschäftsführer von Scope Ratings.Das Unternehmen hat sich in den ersten zehn Jahren nach Gründung mit der Fondsanalyse beschäftigt und ist seit 2012, nach dem Erwerb von PSR Ratings, eine lizenzierte Ratingagentur, die sich zunächst auf Bonitätsprüfungen von Unternehmen des Automobilsektors spezialisiert hatte. Mitte 2016 stieg Scope dann durch die Übernahme der Feri Eurorating Services AG nach eigenem Bekunden zum europäischen Marktführer unter den Ratingagenturen auf und hat sich so auch das Geschäft mit der Bonitätsprüfung von Staatsanleihen erschlossen.Freilich ist die europäische Marktführerschaft im Ratinggeschäft ein eher bedeutungsloser Titel. Denn weltweit gibt es zwar 150 Unternehmen, die Bonitätsprüfungen vornehmen, aber 95 % des Marktanteils entfallen auf Moody’s, Fitch und last, but not least, Hinrichs` Ex-Arbeitgeber Standard & Poor’s.Hinrichs ficht das nicht an. Schon in seiner Zeit bei Standard & Poor’s in Frankfurt, so schreibt er sich auf die Fahnen, hat er den Umsatz des dortigen Büros verfünfzehnfacht und das Personal mehr als verzehnfacht. Bei Scope will Hinrichs dasselbe: Den Umsatz steigern und beim Personal aufstocken – und zwar spürbar, Kleckern ist sein Ding nicht. Schweres ErbeDabei hatte Hinrichs erst einmal eine Ankerkette geerbt, die schwer um sein Bein lag. 2012 bewertete Scope die Bonität einer Anleihe der MS Deutschland, Millionen von Fernsehzuschauern als Kulisse für die ZDF-Serie “Traumschiff” bekannt, mit “A”, bescheinigte also eine gute Qualität mit geringem Risiko. Ein verhängnisvoller Fehler, denn die Reederei Peter Deilmann musste im Herbst 2014 Insolvenz anmelden, die 60 Mill. Euro schwere Anleihe fiel aus. Eine, ob der Bekanntheit des Traumschiffs, öffentlichkeitswirksam geführte Klage war die Folge. Erst vor wenigen Wochen konnte Hinrichs die von seinem Vorgänger verursachte Last abschütteln und mit einem Vergleich beenden, über dessen Inhalt beide Parteien Stillschweigen vereinbart haben. Wachstum im BlickJetzt kann sich Hinrichs ganz auf das Wachstum von Scope konzentrieren. Er schreitet voran: Der Umsatz der Scope Group ist in der ersten Jahreshälfte 2018 um knapp 50 % gestiegen, bei Scope Ratings gab es sogar einen Anstieg um 76 %, dabei hat sich der Auftragseingang beim Rating gegenüber dem Vorjahr sogar verdoppelt. Mittlerweile arbeiten mehr als 200 Mitarbeiter in Berlin und an den Standorten Frankfurt, London, Madrid, Mailand, Oslo und Paris für Scope.So mag es Hinrichs, der seine Karriere 1984 als Kreditanalyst bei der WestLB in Düsseldorf begonnen hat. Hinrichs jüngstes Projekt: der Ausbau der Analyse im Bereich Structured Finance in Italien – möglicherweise auch ein Wachstumsmarkt. So denkt Hinrichs, erzählen seine Mitarbeiter, an alles, nur nicht an seinen Ruhestand. Der ist ja auch noch ein paar Jahre hin: Am Freitag feiert Hinrichs seinen 60. Geburtstag.