Tories kämpfen um die Deutungshoheit
Tories kämpfen um die Deutungshoheit
Bahnprojekt HS2 und Zuwanderung dominieren den Parteitag in Manchester
hip London
Spätestens im Januar 2025 wird in Großbritannien ein neues Unterhaus gewählt. Doch vieles spricht dafür, dass es schon viel früher dazu kommt. Premierminister Rishi Sunak präsentierte sich auf dem Parteitag der Konservativen in Manchester als Kandidat der Veränderung. Er wolle dem "30-jährigen Status quo" ein Ende setzen, kündigte er an.
Dabei entstand ein wesentlicher Teil des Bestehenden unter Sunaks Mitwirkung. Es geht um die Deutungshoheit. Mit der Taktik, als Regierender wie ein Vertreter der Opposition aufzutreten, hatte nicht nur Donald Trump in den USA Erfolg, sondern auch schon sein Vorgänger Barack Obama. Die Tories regieren das Land seit 2010, zunächst in einer Koalition mit den Liberaldemokraten, seit 2015 dann allein. Die stellvertretende Labour-Parteiführerin Angela Rayner forderte Neuwahlen. Sunak bringe keinen Wandel.
Rishi SunakLassen Sie sich von niemandem erzählen, dieses Land sei rassistisch. Das ist es nicht. Meine Geschichte ist eine britische Geschichte.
Sunak nahm sich zuerst die Pläne für die Hochgeschwindigkeitstrasse HS2 vor, die den Norden Englands mit London verbinden sollte. Sie sei "das ultimative Beispiel für den alten Konsens". Wenn sich die Fakten ändern, müsse man den Mut haben, die Richtung zu wechseln, lautete seine Begründung dafür, die Verbindung lediglich bis Birmingham fertigzustellen. Die Kosten des Projekts, dessen wirtschaftlicher Nutzen vor zehn Jahren von KPMG auf 15 Mrd. Pfund jährlich beziffert wurde, waren völlig aus dem Ruder gelaufen.
"Betrug" am Norden
Man werde die durch den Verzicht auf die Anbindung von Manchester frei werdenden 36 Mrd. Pfund stattdessen in Hunderte von Verkehrsprojekte in Nordengland, den Midlands und dem Rest des Landes stecken. Keine andere Regierung habe jemals so ehrgeizige verkehrspolitische Pläne für den Norden verfolgt, behauptete er. Er sei von der Entscheidung zu HS2 "sehr enttäuscht", sagte Andy Street, der konservative Bürgermeister der West Midlands. Tracy Brabin, die Labour-Bürgermeisterin von West Yorkshire, sprach von "einem weiteren Betrug" am englischen Norden. Mark Littlewood, der Generaldirektor des Institute of Economic Affairs, sprach dagegen von einem "Sieg des gesunden Menschenverstands".
"Tun, was immer nötig ist"
Nicht weniger kontrovers waren Sunaks Äußerungen zur illegalen Zuwanderung über den Ärmelkanal. Die britische Bevölkerung entscheide darüber, wer kommen dürfe, nicht kriminelle Banden. Das sei nicht verhandelbar, sagte Sunak. "Ich werde tun, was immer nötig ist, um die Boote zu stoppen", versprach er. Es sei "nicht unmöglich und wir werden es beweisen". Zuvor hatte Innenministerin Suella Braverman die Briten davor gewarnt, dass "die Zukunft Millionen weiterer Migranten an diese Ufer bringen könnte, unkontrolliert und unbeherrschbar, wenn die Regierung, die sie im kommenden Jahr wählen, nicht entschieden handelt, um das zu beenden".
Großbritannien sei "die erfolgreichste multiethnische Demokratie der Welt", sagte Sunak. "Lassen Sie sich von niemandem erzählen, dieses Land sei rassistisch. Das ist es nicht. Meine Geschichte ist eine britische Geschichte."