EU/USA

Transatlantische Händel

Gestern dominierten zwei Fragen die Diskussionen im Brüsseler Europaviertel. Erstens: Was zum Teufel ist im EU-Ratsgebäude so spannend, dass es lohnt, von den USA heimlich aufgezeichnet zu werden. Wirtschaftsgeheimnisse? Wohl kaum, schon gar nicht...

Transatlantische Händel

Gestern dominierten zwei Fragen die Diskussionen im Brüsseler Europaviertel. Erstens: Was zum Teufel ist im EU-Ratsgebäude so spannend, dass es lohnt, von den USA heimlich aufgezeichnet zu werden. Wirtschaftsgeheimnisse? Wohl kaum, schon gar nicht bei Agrar- oder Justizministern. Politische Strategien? Nein, zumal die bei EU-Ministertreffen sowieso nur eine Halbwertszeit von wenigen Stunden haben. Und überhaupt: Bei Debatten unter 28 Ministern oder Premiers gibt es sowieso immer einen, der die heimische Presse mit allen Einzelheiten beliefert. Kurzum: Warum die Amerikaner in Brüssel herumgespitzelt haben, bleibt ihr Geheimnis.Frage 2 lautet: Wie soll Europa reagieren? Die Antwort ist mindestens genauso schwer wie bei der ersten Frage. Denn sehr schnell ist klar, dass Sanktionen oder zumindest Strafaktionen nicht wirklich vorgesehen sind in der Transatlantik-Partnerschaft. Handel mit den USA ist schon schwierig. Aber Händel mit den USA sind noch um ein Vielfaches komplizierter.Noch vergleichsweise einfach ist es, sich über allererste Reaktionen zu verständigen. Botschafter einzubestellen, umgehende Aufklärung zu fordern, geharnischte Drohungen zu machen – das übliche diplomatische Programm. Aber was dann?Einige fordern, nun erst einmal die Datenlieferungen über Finanztransaktionen (Swift) oder Fluggastinformationen (PNR) einzustellen. Das dürfte freilich direkt erhebliche Störungen im Zahlungs- und Reiseverkehr provozieren. Andere – darunter auch EU-Kommissarin Viviane Reding, die aber keine Unterstützung ihrer Kollegen erhält – drohen damit, die Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen zu verschieben. Schon beeilt sich Europas Wirtschaft mit der Mahnung, dass sich die EU damit ins eigene Knie schießt.Schnell wird klar, dass die Sache vertrackt ist. Es gibt kaum einen Hebel, der nicht die Form eines Bumerangs hat. Das dürfte der Grund dafür sein, dass die EU-Kommission so sehr um Behutsamkeit bemüht ist. Tatsächlich scheint es, dass die EU-Behörde darauf setzt, den unter öffentlichen Druck geratenen Amerikanern gerade jetzt einige Zugeständnisse beim Datenschutz abhandeln zu können und sie stärker in die Pflicht zu nehmen.Das mag für alle, die sich über das dreiste Vorgehen amerikanischer Geheimdienste ärgern, unbefriedigend sein. Aber es ist bei nüchterner Betrachtung wohl eine vernünftige Reaktion, bei der Europa wenigstens noch etwas für den künftigen Schutz von Daten herausschlägt.