Trichet will globales Währungssystem auf den Prüfstand stellen
ms Frankfurt – Ex-EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat sich dafür ausgesprochen, nach den Krisen der vergangenen Jahre das internationale Währungssystem zu überdenken. “Ich denke, dafür gäbe es gute Gründe. Wir befinden uns an einem Wendepunkt”, sagte Trichet im Interview der Börsen-Zeitung. Eine mögliche Option sei es, den Marktteilnehmern für die wichtigsten Währungspaare mittelfristige, gleichgewichtige Wechselkurse zu signalisieren – “mit dem Stempel des IWF”. “Das “könnte helfen, das gesamte System zu stabilisieren”, sagte Trichet.Mit seinen Aussagen heizt Trichet die Diskussion über die globale Währungsordnung der Zukunft an. Diese Debatte läuft unter anderem in der Zentralbank der Zentralbanken BIZ und beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Hintergrund sind wichtige strukturelle Veränderungen im System. Dazu zählen die zunehmenden grenzüberschreitenden Wirkungen nationaler Politik, vor allem auch der Geldpolitik, und das Thema der internationalen Kapitalflüsse, das vielen aktuell Sorge bereitet.Trichet, von 2003 bis 2011 Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), sieht das Währungssystem vor allem aus zwei Gründen an einem Wendepunkt: Zum einen sei da die Aufnahme des chinesischen Renminbi in den Währungskorb des IWF für die sogenannten Sonderziehungsrechte (SDR). Zum anderen habe sich nach der Krise in den entwickelten Volkswirtschaften die Einschätzungen verändert, welche Wechselkursschwankungen tolerabel seien.Von einer Rückkehr zu einer Art Bretton-Woods-System mit festen Wechselkursen hält Trichet, der im Vorstand des einflussreichen Finanzgremiums “Gruppe der 30” sitzt, ebenso wenig wie von strikten Wechselkursbandbreiten. Dagegen könne es sinnvoll sein, wenn der IWF und die Emittenten der Währungen im IWF-Korb darlegten, welche Wechselkurse für die wichtigsten Paare sie mittelfristig als gleichgewichtig ansähen, so Trichet.Entschieden stellte er sich gegen die jüngste, teils scharfe Kritik aus Deutschland an der EZB-Politik. Einige der Attacken “waren vollkommen inakzeptabel”, sagte er. Vor allem Unionspolitiker hatten die EZB und Trichet-Nachfolger Mario Draghi persönlich angegriffen. Was der EZB-Rat tue, sei “vollkommen angemessen” angesichts der Deflationsgefahr im Euroraum. Trichet erinnerte zudem daran, dass die durchschnittliche Inflation zu D-Mark-Zeiten bei 2,9 % gelegen habe – deutlich höher als zu Euro-Zeiten mit 1,4 % bis 1,5 %. “Die EZB hat also bislang für stabilere Preise gesorgt als die Bundesbank zu ihrer Zeit.”Trichet kritisierte vielmehr Deutschland, weil die EZB ihr Ziel von 2 % Inflation nicht erreichen könne, wenn die Teuerung in Deutschland “als eine Art Obergrenze für alle anderen Volkswirtschaften” wie zuletzt im April bei – 0,3 % liege. “Deutschland braucht eine lebhaftere Wirtschaft, mehr Investitionen und mehr Konsum.” Dazu seien auch höhere Löhne nötig.Mit Blick auf die Zukunft Europas forderte Trichet einen Euro-Finanzminister und eine stärkere Einbeziehung des EU-Parlaments. “Wir müssen weitergehen”, sagte er. Zugleich wandte er sich aber gegen das “permanente Europa-Bashing”. International gebe es eine Voreingenommenheit gegenüber Europa.—– Interview Seite 7