Trotz Rindfleisch-Deal drohen weiter Autozölle
Von Andreas Heitker, BrüsselMit der Vereinbarung über künftige Rindfleisch-Exporte der USA in die EU, die beide Seiten Ende vergangener Woche besiegelt haben, wurde ein Jahrzehnte andauernder transatlantischer Konflikt beigelegt. Schon Ende der 1980er Jahre hatte Brüssel die Einfuhr von amerikanischem Hormon-Rindfleisch gestoppt. 1996 wandten sich die USA und Kanada deswegen an die Welthandelsorganisation (WTO), die ihnen im Gegenzug erlaubte, EU-Produkte mit Strafzöllen zu belegen. Seit 2009 gab es schließlich eine Übergangslösung, laut der die EU ein Kontingent für den Import von 45 000 Tonnen hormonfreiem Rindfleisch aus Drittstaaten öffnete.Der Deal, dem die EU-Mitgliedstaaten schon Mitte Juli nach langem Ringen zugestimmt hatten, öffnet den USA weit die Türen zum europäischen Agrarmarkt: Schrittweise werden die Zollkontingente für Rindfleisch erhöht, bis sie in sieben Jahren bei 35 000 Tonnen liegen werden. 80 % der Rindfleisch-Importe in die EU können dann aus den USA kommen. Nur noch 10 000 Tonnen blieben dann anderen wichtigen Lieferländern aus Südamerika, wie etwa Argentinien oder Uruguay. Aggressiver Kurs wirktFür US-Präsident Donald Trump ist das Abkommen ein weiterer Erfolg seiner aggressiven Handelspolitik gegenüber den Europäern. Das Damoklesschwert, das er vor eineinhalb Jahren in Form von möglichen neuen Autozöllen aufgehängt hat, zeigt nach wie vor Wirkung. Vor einem Jahr, Ende Juli 2018, führten die Drohungen zunächst zu einer Verständigung zwischen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Trump in Washington. Die Bilanz dieser Einigung nach einem Jahr, die die EU vor wenigen Tagen gezogen hat, zeigt den klaren Gewinner dieses Deals.Beispiel Flüssigerdgas (LNG): Seit Juli 2018 wurden die Einfuhren aus den USA in die EU ganz erheblich gesteigert: Die Zunahme betrug gut 367 %. Allein im Jahr 2019 ging bereits ein Drittel aller Flüssigerdgasexporte aus den Vereinigten Staaten in die EU.Beispiel Sojabohnen: Die EU-Einfuhren aus den USA haben sich von Juli 2018 bis Juni 2019 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres nahezu verdoppelt (plus 96 %). Die USA sind nun Europas Hauptlieferant für Sojabohnen. Zudem hat die EU-Kommission im Januar beschlossen, die Verwendung von US-Sojabohnen für Biokraftstoffe zu gestatten. Damit dürften die Vereinigten Staaten ihren Marktanteil künftig noch weiter ausbauen.Auch in den Verhandlungen über ein horizontales Abkommen über die Konformitätsbewertung gab es schon drei Gesprächsrunden. Dabei geht es um die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen. Ein Abkommen würde es Exporteuren – sowohl aus den USA als auch aus Europa – ermöglichen, ihre Produkte in ihrem eigenen Land zertifizieren zu lassen. Im Bereich der Arzneimittel haben beide Seiten im Juli schon ein Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung in Bezug auf eine sogenannte gute Herstellungspraxis geschlossen, was zu Kostensenkungen bei den Unternehmen führen soll.Im Gegenzug dazu gibt es auch ein Jahr nach dem Juncker-Trump-Abkommen noch immer keine einzige offizielle Verhandlungsrunde zur Abschaffung von Zöllen auf Industrieerzeugnisse. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat seit April ein Verhandlungsmandat der EU-Staaten. Passiert ist bisher nichts. Die Brüsseler Kommission verweist darauf, dass es “unterschiedliche Ziele auf beiden Seiten” gebe und dass es deshalb noch nicht zum Start der Verhandlungen gekommen sei. Stillstand bei ZollgesprächenDabei könnten sich solche Verhandlungen einer Analyse der EU-Kommission zufolge für beide Seiten als lukrativ erweisen: Eine vollständige Abschaffung von Zöllen auf Industrieprodukte dürfte demnach die US-Exporte in die EU bis zum Jahr 2033 um 9 % beziehungsweise gut 26 Mrd. Euro pro Jahr steigen lassen. Die EU-Exporte in die USA würden sich zeitgleich um 8 % oder knapp 27 Mrd. Euro erhöhen.An der Auto-Front hat sich bisher nichts getan, und dass Trump seine Zolldrohungen nun wegen des Rindfleisch-Deals oder der Zugeständnisse bei LNG oder Sojabohnen aufgibt – daran glaubt eigentlich niemand so recht. Die Denkfabrik Official Monetary and Financial Institutions Forum, kurz OMFIF, zu deren Mitgliedern Zentralbanken, Staatsfonds, Vermögensverwalter und Banken gehören, geht umgekehrt sogar fest von einer weiteren Eskalation des Handelskonflikts der EU mit den USA aus. Das Einzige, was Präsident Trump derzeit von der Einführung von Autozöllen abhalte, analysierte das OMFIF in der vergangenen Woche, sei wohl die Vorsicht, eine weitere Front aufzumachen, bevor der US-Handelsstreit mit China nicht beigelegt ist.Für das OMFIF geht es Trump ohnehin mehr um Deutschland und seine Autoindustrie und weniger um die EU insgesamt. “Deutschland und die USA sind auf einem klaren Weg in Richtung Handelskrieg”, lautet das Fazit der Analysten. Berlins Unnachgiebigkeit in der Frage des ausgeglichenen Haushalts, gepaart mit Trumps Entschlossenheit, etwas gegen das Handelsdefizit zu unternehmen, machten Kompromisse unwahrscheinlich. Und eine weitere Abschwächung des Euro – zum Beispiel auch durch einen No-Deal-Brexit – erhöhe noch die Gefahr eines Handelskrieges. Dies, so das OMFIF, würde nur die Trump-Behauptungen beflügeln, dass Deutschland in unfairer Weise von einer künstlich niedrigen Währung profitiere.Die Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zum Rindfleisch-Deal der EU und der USA fällt erwartungsgemäß deutlich optimistischer aus. Das Abkommen, so twitterte der CDU-Politiker, sei “ein wichtiger pragmatischer Schritt weg vom Handelskrieg”. Aber auch Altmaier musste einräumen: Der “große Deal” sei das noch nicht.