Trotz Rohstoffknappheit allzu oft kein "Plan B"
ge Berlin – Obwohl jedes zweite deutsche Industrieunternehmen Nachteile gegenüber Wettbewerbern aus rohstoffreichen Ländern beklagt, fehlt bei erstaunlich vielen Firmen eine Absicherungsstrategie gegen einen Ausfall von Rohstofflieferungen. Bei jedem zehnten Industrieunternehmen gibt es keine Absicherung, ergab eine Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter nahezu 2 000 Betrieben des verarbeitenden Gewerbes. Bei den kleinen Unternehmen stehe sogar jede vierte Firma ohne Plan B da. Dabei gelte die “Faustregel: Je kritischer die Rohstoffe, desto schlechter ist der Wissensstand in den Unternehmen”, sagte IW-Direktor Michael Hüther gestern in Berlin. Fast 100 Prozent ImporteAus der Sicht hiesiger Firmen profitieren die Konkurrenten aus rohstoffreichen Ländern von geringeren Einkaufspreisen, weniger Umweltauflagen, größerer Versorgungssicherheit und geringeren Transportrisiken. “Ein Fünftel der Unternehmen in Deutschland gibt an, dass dadurch ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit signifikant sinkt”, sagte Hüther. Zugleich wundert sich der IW-Chef, dass bis zu fast 30 % der Firmenchefs gar nicht so genau wissen, ob und welche Rohstoffe in der eigenen Produktion gebraucht werden oder in den Vorprodukten stecken – “das gilt vor allem für jene Rohstoffe, deren Verfügbarkeit ohnehin als kritisch einzustufen ist, zum Beispiel für Wolfram, Kobalt und Metalle der Seltenen Erden”.Sollte ein Lieferant metallener Vorprodukte ungeplant und längerfristig ausfallen, sorge sich gut jedes zweite Unternehmen, ergibt die Studie weiter. Die knappe andere Hälfte sei weniger stark betroffen, weil sie mehrere Lieferanten gelistet habe oder die ausfallenden durch alternative Materialien ersetzen könne. Dies ist umso wichtiger, da Metalle in Deutschland zu nahezu 100 % importiert werden müssen. VW oder BASF haben sich beispielsweise in einer Rohstoffallianz zusammengetan, um die Versorgungssicherheit bei wichtigen Materialien zu verbessern. Zudem hat Deutschland mit Kasachstan und der Mongolei Rohstoffpartnerschaften geschlossen, um die Wirtschaft zu unterstützen. “Zu spät gegen Strafzölle”Zumindest große und größere mittelständische Unternehmen verfolgen dem IW zufolge aber eine Absicherungsstrategie mit langfristigen Lieferverträgen, einer höheren Materialeffizienz, einer Diversifizierung von Lieferanten, Forschung für alternative Produkte und Produktionsmethoden sowie Hedging gegen die seit Jahren fast nur noch steigenden Preise. Generell gelte es, Recyclingtechniken zu verbessern, um Rohstoffimporte reduzieren zu können. Gleichwohl denke jedes 20. Unternehmen darüber nach, wegen der Wettbewerbsnachteile Produktionskapazitäten in Rohstoffländer zu verlagern.Die Politik müsse sich für mehr Freihandel und gegen Protektionismus einsetzen. Zudem sollten sich die europäischen Staaten besser in Sachen Rohstoff- und Energiepolitik koordinieren, um bei internationalen Verhandlungen mehr Gewicht auf die Waage bringen zu können, fordert Hüther. Er kritisierte, Deutschland hätte rascher gegen Strafzölle der EU-Kommission auf importierte Solarmodule aus China vorgehen sollen. “Die Bundesregierung hat dagegen votiert, hat aber spät begonnen, sich zu positionieren.”