Trübe Stimmung in Euro-Wirtschaft
Die Industrie bremst auch zu Beginn des dritten Quartals das Wirtschaftswachstum im Euroraum. Im Juli haben aber auch die Dienstleister ihr Expansionstempo verringert, da der Arbeitsmarkt zu schwächeln beginnt.ba Frankfurt – Die Wirtschaft im Euroraum und auch in Deutschland kommt derzeit nicht vom Fleck, und erste Stimmungsindikatoren signalisieren, dass es auch im dritten Quartal nicht wesentlich besser werden wird. Im Juli hat sich die Unternehmensstimmung kräftiger als erwartet eingetrübt. Insbesondere die beschleunigte Talfahrt in der Industrie sorgte für ein abgeschwächtes Wirtschaftswachstum, aber auch das Expansionstempo der Dienstleister schwächte sich wieder ab, wie das Analysehaus IHS Markit gestern mitteilte. Insbesondere das deutsche verarbeitende Gewerbe drückte auf die Stimmung. Mit Ausnahme Frankreichs wuchsen aber auch die übrigen von der Umfrage erfassten Länder schwächer.Der Dienstleister und Industrie zusammenfassende Einkaufsmanagerindex (PMI) Composite für die Eurozone fiel vorläufigen Daten zufolge im Juli um 0,7 auf 51,5 Punkte und damit auf den niedrigsten Wert seit drei Jahren. In den vergangenen sechs Jahren notierte der Index nur vier Mal noch tiefer. Ökonomen hatten nach zwei Anstiegen des Stimmungsbarometers mit einer Stagnation bei 52,2 Zählern gerechnet. Der aktuelle Stand liegt weiter im Expansionsbereich, der von Werten über 50 Punkten angezeigt wird, und er deutet an, dass sich das Wirtschaftswachstum von 0,2 % im zweiten auf 0,1 % im dritten Quartal im Vergleich zum Vorquartal abschwächen wird, kommentierte Chris Williamson, Chefvolkswirt bei IHS Markit, das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 5 000 Unternehmen.Zugpferd im Euroraum blieben die eher von der Binnenkonjunktur abhängigen Dienstleister. Deren Barometer ging um 0,3 auf 53,3 Punkte zurück – “nicht zuletzt, weil dem Arbeitsmarkt etwas die Puste auszugehen scheint”, wie der IHS-Markit-Chefvolkswirt erläuterte. Industrie bleibt SorgenkindAuch im Juli war die Industrie das Sorgenkind, “die infolge geopolitischer Spannungen, des Brexit, zunehmend angespannter Handelsbeziehungen, vor allem aber wegen des Schlamassels des Automobilsektors immer tiefer in die Krise rutschte”, sagte Williamson. Der Sektor dürfte “mit einer Rate von annähernd 1 % auf Quartalsbasis schrumpfen”. “Die Industrie in der Eurozone schaltet immer mehr auf Krisenmodus”, kommentierte Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner den Rückgang des Industriebarometers um 1,2 auf 46,4 Zähler. Der Juli ist somit der sechste Monat in Folge, in dem der Index unter der Expansionsschwelle von 50 Punkten liegt.Den Einbruch der Industrie bezeichnete Weidensteiner als weltweites Phänomen, unter dem Deutschland viel stärker leide als andere Länder. Der entsprechende Indikator für das verarbeitende Gewerbe hierzulande fiel um 1,9 auf 43,1 Zähler. Zuletzt lag der Index im Jahr 2012, also mitten in der Euro-Krise, auf einem ähnlich niedrigen Niveau. Dank des “soliden Wachstums des Servicesektors kann sich die deutsche Wirtschaft im Moment gerade noch so über Wasser halten, wenngleich sich auch bei den Dienstleistern zunehmend Sorgen breitmachen”, wie Phil Smith, Ökonom bei IHS Markit, betonte. Der Indikator für den Servicesektor fiel um 0,4 auf 55,4 Punkte, der Composite PMI gab um 1,2 auf 51,4 Zähler nach (siehe Grafik). Das Risiko sei aber gestiegen, dass die deutsche Wirtschaft in eine leichte Rezession schlittere, mahnte Smith. Für Frankreichs Wirtschaft hingegen erwartet Williamson, dass sich die Wachstumsrate nur leicht von 0,3 % im zweiten auf 0,25 % im dritten Vierteljahr abschwächt. EZB-Politik im FokusVor dem Hintergrund des verlangsamten Wirtschaftswachstums, des nachlassenden Beschäftigungsaufbaus und des im Vergleich zum Jahresanfang deutlich niedrigeren Preisdrucks erwartet Williamson, dass die Rufe nach aggressiveren Anreizen der Europäischen Zentralbank (EZB) lauter werden, deren Rat heute tagt. Eine weitere geldpolitische Lockerung der EZB gilt unter Experten als ausgemacht (siehe auch Bericht auf dieser Seite). Commerzbank-Ökonom Weidensteiner allerdings kann sich eine Senkung des Einlagensatzes um 0,2 Punkte auf -0,6 % bereits heute vorstellen.