Trüber Ausblick für britischen Etat

Osbornes Haushaltsplanung vom November bereits wieder Makulatur

Trüber Ausblick für britischen Etat

Von Gerald Hosp, LondonGeorge Osborne ist ein Gefangener seiner eigenen Ziele und Ambitionen. Der konservative britische Schatzkanzler verpflichtete sich darauf, vom Fiskaljahr 2019/2020 an einen Überschuss zu erzielen, bei dem auch die Ausgaben für Investitionen eingeschlossen sind. Die Regel gilt für “normale Zeiten”, was als ein Wirtschaftswachstum von mehr als 1 % definiert wird. Zudem soll die Nettoverschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung jährlich fallen. Was im November angesichts einer boomenden Wirtschaft relativ leicht erreichbar schien, ist wenige Monate später Makulatur, was einiges über den Planungshorizont des Schatzkanzlers und des britischen Budgetprozesses aussagt.Das im Schatzamt angesiedelte, aber unabhängig agierende Office for Budget Responsibility drückte – vor allem wegen des sinkenden Wachstumspotenzials – stark die Prognose für das Wachstum 2016 von 2,4 % auf 2 % und für 2017 von 2,5 % auf 2,2 %. Damit ergibt sich trotz einer nominal niedrigeren Verschuldung gegenüber dem Vorjahr eine Erhöhung der Nettoverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf 83,7 % im Fiskaljahr 2015/2016. Der Schatzkanzler hat dadurch seine erste Verpflichtung gebrochen. Das Haushaltsdefizit, das für dieses Jahr 3,8 % betragen soll, muss zudem am Ende des Jahrzehnts nach der Fiskalregel verschwunden sein. Um dies zu erreichen, sieht Osborne weitere Ausgabenkürzungen von 3,5 Mrd. Pfund vor, ohne diese konkret zu nennen. Zudem kommt es zu Verschiebungen von Investitionsausgaben und einmaligen Steuereinnahmen, um wenigstens ein Fiskalziel zu retten. Osbornes politisches Kapital hängt in hohem Maße von seiner Reputation als Sanierer der britischen Staatsfinanzen ab. Der Schatzkanzler hat die Ambition, David Cameron als Chef der konservativen Partei abzulösen. Cameron hat gesagt, 2020 zurücktreten zu wollen. Rücksicht auf EU-SkeptikerZudem hing noch das bevorstehende Referendum zur Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU wie ein Schatten über der Haushaltsrede. Üblicherweise werden drastische Reformen kurz nach einer gewonnenen Wahl angekündigt. Dem Reformer und EU-Befürworter Osborne waren aber die Hände gebunden, weil er vor allem seine euroskeptischen Parteifreunde nicht in Aufruhr versetzen wollte. Vor der Rede ruderte Osborne bereits bei einer Pensionsreform wegen Widerstands in der eigenen Partei zurück. Außerdem hatte er vor kurzem eine Niederlage in der Frage um die Erweiterung von Öffnungszeiten am Sonntag erlitten, die von abtrünnigen konservativen Parlamentsabgeordneten abgelehnt wurde. Dafür scheint es, dass sich Osborne einige einschneidende Maßnahmen für das Ende der Legislaturperiode 2020 vorgenommen hat, was normalerweise aus Wahltaktik keine gute Zeit für Einsparungen ist.Als überraschendsten Schritt führte Osborne eine Abgabe für die Hersteller von zuckerhaltigen Getränken ein, um Übergewicht bei Kindern zu bekämpfen. Eine Steuer in diesem Zusammenhang war schon länger diskutiert worden. Sie soll in zwei Jahren in Kraft treten.Zudem zog der Schatzkanzler die Schrauben an, um Steuerumgehung zu vermeiden. In Großbritannien waren mehrere multinationale Unternehmen in die Kritik geraten, nachdem bekannt geworden war, dass sie nur geringe Steuern zahlen. Gleichzeitig kündigte Osborne eine weitere Senkung der Unternehmenssteuern auf 17 % ab 2020 an. Der Schatzkanzler buhlte auch um Klein- und Mittelbetriebe mit einer Erleichterung bei der gewerblichen Immobiliensteuer.