Trügerische Ruhe auf den Finanzmärkten
dz Zürich – Der internationale Finanzverband IIF sieht Anzeichen einer deutlichen Entspannung auf den Finanzmärkten. “Wir verzeichnen Fortschritte auf mehreren Gebieten – zum Glück”, sagte IIF-Chef Charles Dallara beim Zwischenhalt auf dem Weg zum Davoser Weltwirtschaftsforum. Die Europäische Zentralbank (EZB) habe mit ihrer neuen Politik ein starkes Signal an die Märkte ausgesandt und der Zuversicht mehr Raum gegeben. Zufrieden ist Dallara trotzdem nicht. In Europa seien die wirtschaftliche Lage und die Perspektiven nach wie vor schlecht und in Amerika sieht er erhebliche Gefahren, die sich aus der politisch schwierigen Umsetzung der Haushaltskonsolidierung ergeben könnten.Die Notenbanken könnten die Probleme auf Dauer nicht zudecken, warnte er. “Eines Tages werden wir aufstehen und feststellen, dass die Fed nicht ewig expansiv bleiben wird. Das wird der Auslöser für eine Korrektur auf den Märkten sein”, ergänzte IIF-Chefökonom Philip Suttle. Den Tag, an dem die amerikanische Zentralbank wieder restriktiver wird, verortet der Bankenverband mit Blick auf die abnehmende Arbeitslosigkeit in Amerika im Jahr 2014. Dallara bezweifelt, dass die Märkte und die Regierungen auf die Risiken des Politikwechsels vorbereitet sind. 1994, als die Fed eine abrupte Zinswende vollzogen hatte, sei dieses Risiko klar unterschätzt worden, warnte Dallara. Verschiedene Länder Südamerikas hatten in der Folge mit großer Kapitalflucht und einer Währungs- und Wirtschaftskrise zu kämpfen.Die Gefahr erratischer Kapitalverschiebungen ist immer akut, wenn es auf den Zinsmärkten zu unerwarteten Korrekturen kommt. Aus diesem Grund hatten die Banken vor bald 30 Jahren auf dem Höhepunkt der lateinamerikanischen Schuldenkrise das IIF gegründet. 2012 hielten sich die privaten Kapitalflüsse in die Schwellenländer mit geschätzten 1 080 Mrd. Dollar etwa auf Vorjahresniveau. Für die nächsten zwei Jahre rechnet das IIF mit einer weiteren Zunahme der Kapitalflüsse auf bis zu 1 150 Mrd. Dollar. Der Kapitalzufluss in die aufstrebenden Länder Lateinamerikas und Asiens bewegt sich inzwischen wieder mehr als 30 % über dem Niveau von 2007. Diese Entwicklung ist einerseits auf die ultraexpansive Geldpolitik in den Industrieländern und andererseits auf höhere Wachstumsraten in den Schwellenländern zurückzuführen. Brasilien und andere Länder kämpfen wegen der hohen Kapitalzuflüsse mit einer Währungsaufwertung. Das führt auf politischer Ebene vermehrt zu Auseinandersetzungen. Der Streit über die Wechselkurse zeige, dass die G 20-Länder seit vier Jahren immer weniger in der Lage seien, ihre Wirtschaftspolitik zu koordinieren. “Das ist ein echtes Problem für die Weltwirtschaft”, sagte Dallara.