NOTIERT IN WASHINGTON

Trump demontiert sich selbst

Seit über einem Jahr setzt Donald Trump die Gesetzmäßigkeiten und Spielregeln des politischen Geschäfts außer Kraft. Je krasser seine Beleidigungen einzelner Personen, ganzer Religionsgruppen oder ethnischer Minderheiten und je rassistischer seine...

Trump demontiert sich selbst

Seit über einem Jahr setzt Donald Trump die Gesetzmäßigkeiten und Spielregeln des politischen Geschäfts außer Kraft. Je krasser seine Beleidigungen einzelner Personen, ganzer Religionsgruppen oder ethnischer Minderheiten und je rassistischer seine Hasstiraden, desto größer war stets die Begeisterung unter seinen Anhängern. Nun aber könnte der Unternehmer den Bogen überspannt haben. Zu dem seit fast einer Woche andauernden Fernduell, das er sich mit dem Vater eines gefallenen muslimischen US-Soldaten liefert, gesellen sich nun ein Skandal um Trumps Kriegsdienstverweigerung und eine sich abzeichnende Rebellion unter seinen engsten Beratern.Begonnen hatte die Serie von Pannen und Blamagen am vorvergangenen Mittwoch. In einer Rede beim demokratischen Parteikonvent wetterte Khizr Khan, der Vater eines jungen US-Soldaten, der im Irakkrieg gefallen war, gegen Trumps geplantes Einreiseverbot für Muslime. Khan schilderte seinen Sohn als glühenden Patrioten, der sein Leben für seine Nation, die USA, geopfert habe. Der trauernde Vater fragte den Milliardär, ob er denn jemals die US-Verfassung gelesen habe, bot ihm sein eigenes Exemplar zur Lektüre an und erklärte, dass Trump ungeeignet für das Präsidentenamt sei. Anstatt aber die Kritik einfach zu schlucken, musste der Demagoge natürlich zurückschlagen. Khan habe “grausame Attacken” gegen ihn gestartet, schimpfte der 70-Jährige und lässt seitdem nicht locker.Obwohl seine engsten Berater Trump eindringlich davon abgeraten hatten, sich auf ein Rededuell mit einer sogenannten “Gold Star”- Familie einzulassen, die einen Angehörigen während eines Kriegseinsatzes verloren hat und in politischen Auseinandersetzungen daher als sakrosankt gilt, spielte der republikanische Spitzenkandidat die beleidigte Leberwurst.Seit einer Woche bekriegen sich Trump und Khan nun in Fernsehinterviews und sozialen Medien. Lachende Dritte ist die demokratische Kandidatin Hillary Clinton, die am Wochenende selbst bedenklich ins Wanken geriet, dank Trumps Attacken aber ungeschoren davonkam. Clinton behauptete in einem Interview, dass FBI-Direktor James Comey ihr bescheinigt habe, im Zusammenhang mit dem Skandal um die gelöschten E-Mails die Wahrheit gesagt zu haben. Das war so nicht richtig, was die Republikaner hätten ausschlachten können. Trump ging aber gar nicht darauf ein, weil er zu sehr mit sich selbst beschäftigt war.Nun beginnen Trump die Felle davonzuschwimmen. Medien berichten von zunehmender Aufregung und Frustration im Lager des Spitzenkandidaten. Wahlkampfmanager Paul Manafort soll mit dem Rücktritt gedroht haben. Selbst die vielen jungen Frauen, die in Fernsehdiskussionen als Trumps Sprachrohr agieren und seine unsäglichsten Entgleisungen verteidigen, kehren ihm nun den Rücken zu. “Ich wünsche mir wirklich, dass er diese Dinge nicht alle gesagt hätte”, kritisierte etwa Kayleigh McEnany, eine junge Trump-Anhängerin, die bisher energisch bestritt, dass der Kandidat Frauen und Latinos beleidigt habe oder Muslime diskriminiere.Am vergangenen Dienstag dann der nächste Eklat: Während einer Wahlkampfveranstaltung in Virginia schritt ein Kriegsveteran zum Rednerpult und übergab Trump sein “Purple Heart”, ein militärischer Orden, der Soldaten verliehen wird, die während eines Kampfeinsatzes verwundet wurden. Der Kandidat bedankte sich und fügte hinzu, “dass ich so einen Orden schon immer haben wollte, so bekomme ich ihn natürlich wesentlich leichter”. In den Medien hagelte es prompt heftige Kritik an Trumps mangelnder Sensibilität, zumal er sich während des Vietnamkriegs nicht weniger als fünf Mal habe ausmustern lassen.Die Demokraten reiben sich nun genüsslich die Hände. Inzwischen kursieren schon Gerüchte, wonach Clintons Strategen Khizr Khan während ihres Parteikonvents gezielt als Köder eingesetzt haben sollen, um den dünnhäutigen Trump aus der Reserve zu locken und zu provozieren. Clinton legt in Wählerumfragen mittlerweile wieder zu. Eine wachsende Zahl politischer Beobachter ist zudem überzeugt, dass die psychologischen Folgewirkungen des jüngsten Skandals “Teflon Don” nun endgültig aus der Bahn werfen könnten.