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Trump: Häftling oder nächster US-Präsident?

Donald Trump ist der erste US-Präsident, der wegen angeblicher Straftaten vor Gericht gestellt wurde. Egal, ob Trump für schuldig befunden oder freigesprochen wird, einer Rückkehr ins Weiße Haus stünde der Prozess nicht im Wege.

Trump: Häftling oder nächster US-Präsident?

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Häftling oder Präsident?

Von Peter De Thier

Für Schlagzeilen hat Donald Trump schon immer gesorgt, nun hat er auch Geschichte geschrieben. Zum ersten Mal wird sich nämlich ein ehemaliger US-Präsident vor einem Strafgericht verantworten müssen, und zwar wegen 37 Vorwürfen im Zusammenhang mit geheimen Dokumenten, die er nach Ablauf seiner Amtszeit aus Washington in seine Privatresidenz Mar-a-Lago in Florida bringen ließ. Wie das Verfahren ausgehen wird, ist ungewiss. Möglich ist, dass der Ex-Präsident schuldig gesprochen wird und Jahrzehnte hinter Gittern verbringen muss. Denkbar ist aber auch, dass er unabhängig vom Prozessausgang die nächste Wahl gewinnen wird und sich dann von seinem Justizminister begnadigen lässt.

Sieht man von den paar Dutzend Trump-Anhängern ab, die gegen die angebliche „Hexenjagd“ demonstrierten, war es ein normaler, sonniger Frühlingstag in Miami. In das Gebäude des Bundesbezirksgerichts wurden Trump und sein angeklagter Mitverschwörer Walt Nauta durch einen Tunnel begleitet. Nauta ist ein ehemaliger Marineoffizier, der als Trumps persönlicher Assistent ihm nicht nur Diät-Colas und Haarspraydosen bringt, sondern ihm auch bei der Unterschlagung der Dokumente geholfen haben soll. Wie erwartet bekannte sich Trump, der selbst kein Wort über die Lippen brachte, über seine Anwälte in sämtlichen der 37 Anklagepunkte – von Obstruktion der Justiz über Verschwörung bis zur Weigerung, geheime Dokumente herauszugeben – für „nicht schuldig“. 

Ob ihm das Unschuldsbekenntnis helfen wird, ist aber fraglich. Nach Ansicht von Rechtsexperten enthält die 49 Seiten lange Anklageschrift nämlich erdrückende Beweise dafür, dass der ehemalige Präsident die Dokumente vorsätzlich mitgenommen und damit die nationale Sicherheit der Nation aufs Spiel gesetzt hat. Dokumente über Nuklearprogramme der USA sowie anderer Länder, über die Verteidigungsfähigkeit der Nation sowie Schwachstellen, die Gegner wie Wladimir Putin ausnutzen könnten. Auch Unterlagen über verschiedene Szenarien für einen Gegenangriff, sollten die USA attackiert werden. 

Dokumente, die mit dem Siegel des CIA, der NSA und anderer Geheimdienste versehen waren und nur in einem abhörsicheren Raum geöffnet werden durften, in einer sogenannten „Sensitive Compartmented Information Facility“ (SCIF). Nicht einmal im Oval Office im Weißen Haus und schon gar nicht im Ballsaal, neben den Toiletten oder in Lagerräumen von Trumps weitläufigem Anwesen in Florida. Fotos aus Mar-a-Lago sprechen Bände: Kartons mit streng geheimen Unterlagen, die schlampig aufeinandergestapelt waren, in einigen Fällen waren sie sogar umgekippt und die vertraulichen Papiere über den Boden verteilt.

Der Prozess könnte auch Folgen für die US-Präsidentschaftswahlen im November nächsten Jahres haben. Die meisten der republikanischen Kandidaten wagen es nämlich immer noch nicht, sich kritisch über Trump zu äußern, werden aber irgendwann zum Angriff blasen müssen, wenn sie den ehemaligen Präsidenten bei den Vorwahlen bezwingen wollen. Unterdessen stellt sich die Frage, warum Trump im Gegensatz zu Joe Biden sich geweigert hat, die Dokumente herauszugeben und wie vom Gesetz vorgeschrieben dem Nationalarchiv zu überlassen. Frühere Mitarbeiter meinen, es habe an seiner Eitelkeit gelegen und an der Tatsache, dass er mit den Unterlagen angeben wollte. 

Misstrauischer ist Michael Cohen, der früher Trumps engster Berater war. Er hält für möglich, dass der Ex-Präsident die Papiere entweder verkaufen und selbst daran verdienen wollte oder sich die Möglichkeit vorbehalten wollte, die Regierung zu erpressen, sollte er angeklagt werden. Sonderstaatsanwalt Jack Smith besteht zwar auf einem schnellen Verfahren. Zunächst sind aber Trumps Anwälte am Zuge und dürften versuchen, den Strafprozess bis nach der Präsidentschaftswahl hinauszuzögern. Im Falle eines Wahlsiegs wäre es Trump dann ein weiteres Mal gelungen, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

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