NOTIERT IN WASHINGTON

Trump hat größere Sorgen als die Corona-Pandemie

Es gehört zur Tradition bei US-Präsidentschaftswahlen: Alle vier Jahre wird mit dem langen Wochenende zum "Labor Day" nicht nur ein Schlussstrich unter die langen Sommerferien gezogen, sondern zugleich die offizielle Schlussphase des Wahlkampfs...

Trump hat größere Sorgen als die Corona-Pandemie

Es gehört zur Tradition bei US-Präsidentschaftswahlen: Alle vier Jahre wird mit dem langen Wochenende zum “Labor Day” nicht nur ein Schlussstrich unter die langen Sommerferien gezogen, sondern zugleich die offizielle Schlussphase des Wahlkampfs eingeläutet. An den Stränden von Cape Cod im Nordosten über Floridas Atlantikküste bis hin nach Kalifornien tummeln sich ein letztes Mal Millionen von Menschen, ehe das Schuljahr beginnt und der Alltag wieder Einzug hält.Anders als in vergangenen Jahren wird nun aber der Feiertag bei vielen Experten von der Angst begleitet, dass Menschenmassen und die Missachtung von Kontaktbeschränkungen wieder zu einem steilen Anstieg der Corona-Erkrankungen führen könnten. Und das gerade zu einer Zeit, wo die Infektionskurve in vielen Staaten abzuflachen begonnen hatte und diese in “Phase 3” ihrer Wiedereröffnung eingetreten waren, Restaurants, Bürogebäude und andere Einrichtungen also endlich wieder mit 50 Prozent ihrer üblichen Kapazität gefüllt sein dürfen. Ob die Kurve sich nun wieder dreht und steil nach oben geht, wird sich in den kommenden ein bis zwei Wochen zeigen. Im Gefolge zweier anderer Feiertagswochenenden, nämlich Ende Mai und dann des Nationalfeiertags im Juli, waren die Corona-Fälle wieder nach oben geschossen. Die Gesundheitsexperten bleiben entsprechend nervös. Ein düsteres Bild zeichnete indes die University of Washington. Nachdem diese Woche die Zahl der Todesopfer 190 000 überschritten hatte, prognostiziert eine viel beachtete Studie der Universität einen Anstieg auf über 400 000 Corona-Tote bis Anfang 2021. *Einer, der sich keine Sorgen um neue Erkrankungen macht, ist Donald Trump. Der Präsident dringt seit Monaten auf eine vorzeitige Öffnung der Wirtschaft, versucht konsequent die Pandemie schönzureden, und behauptet nun, dass die Regierung “noch vor einem besonderen Tag, den ihr alle kennt”, nämlich dem 3. November, an dem gewählt wird, über einen Impfstoff verfügen wird. Natürlich büßte Trumps vollmundiges Versprechen an Glaubwürdigkeit ein, nachdem der Pharmakonzern AstraZeneca angekündigt hatte, klinische Erprobungen für einen Covid-19-Impfstoff unterbrechen zu wollen.Folgenschwerer als die Pandemie könnte für den Präsidenten hingegen ein Artikel in der Zeitschrift “The Atlantic” sein. Darin behauptet der Verfasser unter Berufung auf vier Quellen aus Trumps Umfeld, dass der Präsident sich 2018 bei einem Besuch in Frankreich abschätzig über US-Soldaten geäußert hat. Er soll diese als “suckers and losers”, also als “Trottel und Verlierer”, bezeichnet haben. Einen Besuch des Aisne-Marne-Friedhofs bei Paris, wo gefallene GIs begraben sind, lehnte Trump jedenfalls ab.Natürlich wiesen der Präsident und seine Handlanger den Bericht als “fake news” zurück und waren sicher, wie so oft den Skandal problemlos abschütteln zu können. Doch sie ahnten nicht, wie unerbittlich der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden zurückschlagen würde. Biden erinnerte etwa daran, dass sein verstorbener Sohn Beau, der als Generalstaatsanwalt von Delaware trotzdem im Irak diente, “kein Verlierer und kein Trottel war”, und weckte damit Sympathien.Die Strategie zeigte Wirkung, denn zum ersten Mal während Trumps mehr als dreieinhalb Jahren im Amt scheint ein Skandal haften zu bleiben. In den jüngsten Wählerumfragen, die diese Woche veröffentlicht wurden, hat Biden seinen Vorsprung auf etwa 10 Prozentpunkte ausgebaut. Er und die Demokraten haben erkannt und eiskalt ausgenutzt, dass der Präsident damit auch seine eigenen Wähler vergrätzt.Schließlich stammen viele der Soldaten aus der Mittelklasse sowie ärmeren Familien, die einen wichtigen Teil seiner politischen Basis ausmachen. Alles andere als hilfreich ist auch die Tatsache, dass nun die sonst Trump-loyale Fernsehstation Fox News ebenfalls bestätigt hat, dass der Präsident sich über die toten Soldaten mokiert hat. Kehrt ihm langsam auch sein Lieblingssender den Rücken, dann verheißt das nichts Gutes für den Präsidenten.