NOTIERT IN WASHINGTON

Trump übertrumpft sich selbst

Mit einem unsäglichen Auftritt im Atrium seines weltberühmten Wolkenkratzers in New York hat Donald Trumps Präsidentschaft einen neuen Tiefpunkt erreicht. Ziel seiner Ansprache war es, sich selbst auf die Schulter zu klopfen und verkürzte...

Trump übertrumpft sich selbst

Mit einem unsäglichen Auftritt im Atrium seines weltberühmten Wolkenkratzers in New York hat Donald Trumps Präsidentschaft einen neuen Tiefpunkt erreicht. Ziel seiner Ansprache war es, sich selbst auf die Schulter zu klopfen und verkürzte Genehmigungsfristen für staatliche Infrastrukturprojekte zu verkünden. Mit der Aufmerksamkeitsspanne eines Kleinkindes ließ sich Trump aber prompt aus der Bahn werfen. An den gewaltsamen Nazi-Demonstrationen in Charlottesville “tragen beide Seiten die Schuld”, reagierte er auf die Frage eines Reporters. Trump stellte damit die Gegendemonstranten auf dieselbe moralische Ebene wie jene Neonazis, die mit rassistischen Sprüchen durch die Universitätsstadt gezogen waren und Hakenkreuze mit Sternenbannern gleichsetzten.Manchmal erweckt der 45. Präsident den Eindruck, als wolle er sich selbst aus dem Amt ekeln. Erst am Montag hatte er mit einer einstudierten Ansprache im Weißen Haus Kritiker besänftigt, die zuvor gegen seine Weigerung gewettert hatten, den Ku-Klux-Klan und andere Anstifter der Veranstaltung in Charlottesville zu verurteilen. Diese Organisationen seien “abstoßend” und widersprächen allem, was “uns als Amerikanern lieb ist”, sagte er da. Am Tag danach dann aber die zweite Kehrtwende, die seinen engsten Beratern die Sprache verschlug und erneut berechtigte Zweifel an Trumps Eignung für das mächtigste Amt im Lande schürte.Auch die Gegendemonstranten seien “sehr, sehr gewalttätig” gewesen, stellte er mit erhobenem Zeigefinger fest. “Trifft sie denn keine Schuld, haben sie nicht auch ein Problem?”, fragte er rhetorisch. Gezögert habe er mit einer Stellungnahme nur deswegen, weil er zunächst sämtliche Fakten wissen wollte, betonte der Präsident, der in der Vergangenheit ja selten Wert auf wahrheitsgetreue Schilderungen legte. Der selbstverliebte Unternehmer bewies jedenfalls ein weiteres Mal, dass er, wenn er richtig in Fahrt kommt, nicht zu bremsen ist. Auch George Washington und Thomas Jefferson, zwei der Gründerväter der Nation, hätten Sklaven gehalten. “Werden wir deren Denkmäler jetzt ebenfalls entfernen?”, spielte Trump auf die Statue des Südstaatengenerals Robert E. Lee an, die die Zusammenstöße in Virginia ausgelöst hatte.Erneut setzte Trump nach, schimpfte darüber, dass die Neonazis von den Medien unfair behandelt würden, und bescheinigte ihnen immerhin, im Gegensatz zu den Gegendemonstranten für ihre Proteste eine offizielle Genehmigung erhalten zu haben. General John Kelly, der Stabschef im Weißen Haus, senkte den Kopf, ein konsternierter Chefökonom Gary Cohn blickte mit versteinerter Miene ins Leere, und ein Stabsmitarbeiter des Präsidenten verkündete wenige Stunden später via Twitter: “Das war nicht vorbereitet, das war ein Alleingang!”Mit dem peinlichen Auftritt hat der Präsident jedenfalls Farbe bekannt. Mit Nachdruck bewies er, wie ungern er sich Worte in den Mund legen lässt und wie unehrlich seine erzwungenen Aussagen vom Montag waren. Prompt hagelte es auch Kritik, selbst seitens loyaler Anhänger. Paul Ryan, als Sprecher der mächtigste Republikaner im Repräsentantenhauses, warnte vor “moralischer Zweideutigkeit”. Auf keinen Fall dürfe man Menschen, die Rassismus ablehnen, mit den Rassisten selbst gleichsetzen.