NOTIERT IN WASHINGTON

Trump und das "Football-Politikum"

Medien wirft US-Präsident Donald Trump ständig vor, "fake news" zu verbreiten. Dabei hat er selbst kürzlich erst erneut unter Beweis gestellt, wie gestört sein eigenes Verhältnis zur Realität und zu unbestreitbaren Fakten ist. Weil sie angeblich...

Trump und das "Football-Politikum"

Medien wirft US-Präsident Donald Trump ständig vor, “fake news” zu verbreiten. Dabei hat er selbst kürzlich erst erneut unter Beweis gestellt, wie gestört sein eigenes Verhältnis zur Realität und zu unbestreitbaren Fakten ist. Weil sie angeblich keinen Respekt vor dem Sternenbanner gezeigt haben und daher unpatriotisch seien, hat Trump als erster Präsident in der Geschichte das Football-Team der Philadelphia Eagles, die Gewinner des Super Bowl, wieder ausgeladen.Die Debatte um den Patriotismus der Football-Profis wurzelt in einem Vorfall um den früheren Superstar Colin Kaepernick. Aus Protest gegen Rassendiskriminierung in den USA kniete dieser nieder, während die Hymne gesungen wurde. Er verlor daraufhin seinen Job bei den San Francisco 49ers und wurde von sämtlichen Mannschaften der Profiliga NFL gemieden. Andere Spieler solidarisierten sich vergangene Saison mit dem Afroamerikaner, und prompt nutzte Trump die Protestaktion, um aus der Kontroverse politisches Kapital zu schlagen. Wer nicht stehe und die Hand aufs Herz lege, während vor Beginn jedes Spiels die Nationalhymne gesungen werde, sei kein guter Amerikaner, meinte Trump in einem eindeutigen Appell an seine patriotisch gesonnene Basis. Damit allerdings die aufsehenerregende Entscheidung des Weißen Hauses zu begründen, die Einladung für den neuen Super-Bowl-Meister zu streichen, noch dazu knappe 24 Stunden vor der geplanten Fete im Rosengarten des Weißen Hauses, entbehrt jeder Logik. Die Philadelphia-Spieler haben nämlich vergangene Saison durchaus gemäß den Wünschen des Präsidenten konsequent “die Flagge respektiert”. Keiner von ihnen hatte sich jemals geweigert, während der Nationalhymne zu stehen. In der Folge kolportierte Trump via Twitter eine andere Fiktion. Ins Weiße Haus kommen dürften sie deswegen nicht, weil es ebenfalls “Respektlosigkeit gegenüber unserer Nation zeigt, in der Umkleidekabine zu bleiben”. Das haben die Spieler der Philadelphia Eagles aber auch nicht getan. Wahr ist hingegen, davon sind die meisten Beobachter überzeugt, dass Trump in seiner Eitelkeit gekränkt ist. Angeblich wollte nur weniger als ein halbes Dutzend des über 50-köpfigen Teams zur Party an der 1600 Pennsylvania Avenue kommen. Wahr ist ebenso, dass einige der Eagles scharfe Kritiker des Präsidenten und seiner Politik sind. Philadelphias Bürgermeister Jim Kenney nahm in der Sache kein Blatt vor den Mund. Die Entscheidung, eine so traditionsreiche Einladung zurückzuziehen, beweise lediglich, dass Trump “kein wahrer Patriot ist, sondern ein fragiler Egomane”, der von Publikumsgröße besessen ist “und Angst hat, eine Party auszurichten, zu der kaum jemand kommen will”. Der Präsident ließ es sich natürlich nicht nehmen, unter Ausschluss der Super-Bowl-Sieger eine Veranstaltung auszurichten, zu der man angeblich über 1 000 Menschen erwartet, darunter auch Fans der Eagles. Im Verlauf des Tages sickerte dann aus Regierungskreisen durch, dass zu der “Feier Amerikas” womöglich nur ein paar Dutzend erscheinen würden, vermutlich größtenteils Stabsmitarbeiter im Weißen Haus. Zwar wurden es dann doch an die 100 Gäste. Doch wie auch bei der eigenen Inauguration, nach der Trump behauptete, von einem größeren Publikum als sämtliche US-Präsidenten vor ihm gefeiert worden zu sein, die Menschenmenge aber gegen die seines Vorgängers Barack Obama verblasste, hat der Präsident damit erneut seinen Hang zu maßloser Übertreibung bewiesen. Nachdem ein Chor des US Marine Corps “Star-Spangled Banner” angestimmt hatte, bekräftigte er zudem, dass “wir unser Land lieben und unsere Flagge respektieren” und teilte Seitenhiebe gegen die Eagles aus.Dieses Vorgehen Trumps hat durchaus System. Er rühmt sich gegenüber Beratern damit, früh erkannt zu haben, mit dem Reizthema “Patriotismus” und der Flagge bei seinen Stammwählern punkten zu können. Folglich wolle er daraus bei jeder Gelegenheit politisches Kapital schlagen, gerade mit Blick auf die Kongresswahlen im November, wo Trump um jeden Preis seine republikanischen Mehrheiten in beiden Kammern verteidigen will.