Trump will seinen Kandidaten durchdrücken
Von Andreas Fink, Buenos AiresWährend die Folgen des Coronavirus die Volkswirtschaften fast aller Staaten Lateinamerikas massiv belasten, tobt ein heftiger Streit über eine zentrale Institution für den Wiederaufbau nach der Pandemie. Wer soll die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID) in den kommenden fünf Jahren leiten?Seit der Gründung der Institution 1959 galt ein kontinentaler Kompromiss: Der Sitz der Bank liegt in der US-Hauptstadt, aber deren Direktor kommt von weiter südlich. Alle bisherigen Chefs des Instituts, das während vieler Jahre der wichtigste Geldgeber für Infrastrukturprojekte in der Region war, waren Lateinamerikaner mit technischem Profil. Seit 2005 amtierte der Kolumbianer Luis Alberto Moreno. Nun brachten sich zwei neue Kandidaten in Stellung: die vormalige Präsidentin Costa Ricas, Laura Chinchilla, und Gustavo Béliz, derzeit Argentiniens Staatssekretär für strategische Angelegenheiten, der zwischen 2004 und 2019 bereits in verschiedenen Funktionen für die BID tätig war. Vieles schien auf den 58-jährigen Juristen aus Buenos Aires hinauszulaufen, der nach einer journalistischen Karriere in den 1990er Jahren in die Politik ein- und mehrfach wieder ausstieg, empört über Korruption in den Regierungen von Carlos Menem und Néstor Kirchner. 2004 musste Béliz unter Morddrohungen sein Land verlassen, nachdem er sich als Justizminister mit dem mächtigen operativen Chef des Geheimdienstes angelegt hatte. Danach leitete er für die BID Projekte, die unter anderem die institutionelle Qualität in Lateinamerika verbessern sollten. Béliz ist auf dem Kontinent bekannt, geschätzt und gut vernetzt. Das gilt auch für Chinchilla, die als Präsidentin den kleinen Musterstaat Costa Rica in die pazifische Allianz gebracht hatte, die freihandelsfreundliche dynamische Union von Mexiko, Kolumbien, Peru und Chile.Aber nun dürften beide Kandidaturen chancenlos sein. Denn US-Präsident Donald Trump hat Mitte Juni beschlossen, entgegen allen bisherigen Usancen einen eigenen Kandidaten zu nominieren: Mauricio Claver-Carone, in Florida geborener und in Madrid aufgewachsener Sohn kubanischer Exilanten. Er ist Trumps Chefberater für lateinamerikanische Angelegenheiten und gilt als einer der härtesten Kritiker der linken Regierungen Kubas, Venezuelas und Nicaraguas. Bevor er 2016 von Trump in dessen Übergangsteam geholt wurde, war der Jurist übergangsweise Exekutivdirektor beim Internationalen Währungsfonds und besaß einen Blog, in dem er jeden einzelnen Schritt verteufelte, den Präsident Barack Obama auf die Regierung in Havanna zuging. Ruf nach späterem TerminDie Nominierung des Hardliners sorgte südlich des Rio Grande für gehöriges Grummeln, aber die akute Notlage in den meisten Staatskassen bewirkte, dass sich viele Staaten hinter Trumps Kandidaten stellten, darunter die Schwergewichte Brasilien und Kolumbien. Washington hält allein 30 % aller Anteile an der Bank, die 2018 Kredite im Gesamtwert von etwa 13,5 Mrd. Dollar in die Region vergab.Widerstand formierte sich vor allem in den Ländern der bisherigen Kandidaten, wenn auch zunächst in diskreter Form: Argentinien wollte nicht rebellieren, solange es mit seinen Privatgläubigern über eine Umschuldung verhandelte. Doch nachdem vorige Woche weißer Rauch über Wall Street aufstieg, ging Buenos Aires an die Front. Die Covid-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen des Luftverkehrs machten eine Teilnahme seines Landes an der Wahl Mitte September unmöglich, twitterte Außenminister Felipe Solá, dessen Land etwa 11 % der Anteile an der BID hält. Zuvor hatte bereits der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell – nach Absprache mit Fernández – eine Verschiebung des Wahlaktes in den kommenden März vorgeschlagen. Also nach dem Ende der Coronawelle. Und vor allem nach der US-Präsidentenwahl Anfang November. Das riskante Kalkül ist, dass eine Niederlage Trumps auch die Kandidatur Claver-Carones beendet.Europäische Länder halten etwa 10 % der Anteile der Bank, ungefähr 2 % sind im Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Für einen Aufschub plädiert nun auch Mexiko, das etwa 7 % der Shares besitzt, auch die konservative Regierung in Chile unterstützt den Vorstoß, ebenso kamen positive Signale aus Peru.Mit ihren Stimmanteilen könnten die Rebellen die Wahl gegen den US-Kandidaten wohl nicht gewinnen. Aber sie könnten den Wahlvorgang verhindern, wenn ihre Vertreter nicht anreisten. Denn die BID-Statuten verlangen die persönliche Präsenz der Ländervertreter und ein Quorum von mindestens 75 %.