LEITARTIKEL

Trumps Notenbank

Donald Trump ist unzufrieden mit der US-Notenbank. Seit Monaten kritisiert der US-Präsident die Federal Reserve, die seiner Ansicht nach den bisher längsten Aufschwung in den USA abgewürgt hat. Der Dow Jones könnte 10 000 Punkte höher stehen und das...

Trumps Notenbank

Donald Trump ist unzufrieden mit der US-Notenbank. Seit Monaten kritisiert der US-Präsident die Federal Reserve, die seiner Ansicht nach den bisher längsten Aufschwung in den USA abgewürgt hat. Der Dow Jones könnte 10 000 Punkte höher stehen und das Wirtschaftswachstum deutlich oberhalb von 3 % liegen, hätte die Fed nicht die Zinsen erhöht, erklärte Trump vor wenigen Wochen im Rahmen eines Staatsbesuchs in Tokio. Am Montag klagte er erneut darüber, dass die Währungshüter in Washington einfach nicht auf ihn hören wollten. Anders sei es in Peking, wo das Staatsoberhaupt auch in der Geldpolitik den Ton angebe. “Der Chef der Fed in China ist Xi Jinping”, schwärmte Trump im Gespräch mit dem Fernsehsender CNBC.”Das sind nicht meine Leute”, sagte der US-Präsident bei der gleichen Gelegenheit über die Leitung der Fed, obwohl er vier der fünf Mitglieder im Board of Governors selbst bestimmt hat, darunter auch Chairman Jerome Powell. Am Dienstag, eine Woche vor der nächsten Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank, legte Trump nach. Das Zinsniveau, das die Fed im Zuge der jüngsten Erhöhung Mitte Dezember auf 2,25 bis 2,5 % angehoben hat, sei “viel zu hoch” und die Bilanzverkürzung der Notenbank nach Jahren des Quantitative Easing “lächerlich”, schnaubte der US-Präsident in den sozialen Medien. Trump hat die Währungshüter aufgefordert, die Zinsen um 1 Prozentpunkt zu senken und Anleihekäufe im großen Stil neu aufzunehmen. In großen Lettern wies er erneut auf die “SEHR NIEDRIGE INFLATION” hin und kam dann zu seinem Gesamturteil über die Fed: “Sie haben keine Ahnung!”Die Notenbank lässt die Tiraden des Präsidenten unter Verweis auf das in ihren Statuten festgelegte Mandat sowie die an gleicher Stelle bestimmte Unabhängigkeit mit stoischer Ruhe über sich ergehen. Die Interventionen aus dem Weißen Haus spielten für die Erwägungen der Währungshüter keine Rolle, hat Powell mehrfach versichert. Das allerdings bedeutet nicht, dass sich die Notenbank der schleichenden Politisierung entziehen kann. Nachdem Trump in den vergangenen Wochen nämlich nicht nur den Handelskonflikt mit China eskalierte, sondern auch mit Zöllen auf Importe aus Mexiko drohte, rechnen die Märkte mittlerweile fest damit, dass die Fed im Sommer die Zinsen senkt. Von wegen “geduldiges Abwarten”, das die Notenbank vor wenigen Wochen versprach. Offen scheint nur noch die Frage, ob die Währungshüter schon in der nächsten Woche gegensteuern oder doch noch bis Ende Juli abwarten, bevor sie dem seit mehr als zehn Jahren währenden Aufschwung trotz wachsender Sorgen wegen der Folgen der US-Handelspolitik neues Leben einhauchen.Bis zum Jahresende rechnen die Märkte mit einem um 50 Basispunkte tieferen Zinsniveau in den USA, was bei der über die vergangenen Jahre eingeübten Schrittlänge der Währungshüter zwei Kürzungen gleichkäme. Diskutiert wird mittlerweile allerdings auch darüber, dass die Notenbank die Märkte im Sommer mit einem Ausfallschritt überraschen und die Zinsen in einem Rutsch auf 1,75 bis 2,00 % zurücknehmen könnte. Als Argument wird angeführt, dass die Fed wegen ihres vergleichsweise geringen Spielraums beim nächsten Abschwung nur eine Patrone in der Trommel hat, die deshalb umso mehr Eindruck machen muss. Dagegen spricht allerdings, dass die Notenbank mit einem so drastischen Schritt wohl für zusätzliche Verunsicherung über die weiteren Aussichten der Konjunktur sorgen würde.——Von Stefan ParaviciniDie Fed steht unter politischem Druck. Die Notenbank betont ihre Unabhängigkeit. Donald Trump hat sie trotzdem schon vor seinen Karren gespannt. ——