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Trumps Wahlgeschenk

Von Peter De Thier, Washington Börsen-Zeitung, 28.10.2020 Für US-Präsident Donald Trump, der bekanntlich ein Faible für Superlative hat, stellt diese Personalie wenige Tage vor der Wahl in den USA tatsächlich einen politischen Triumph dar: Der...

Trumps Wahlgeschenk

Von Peter De Thier, WashingtonFür US-Präsident Donald Trump, der bekanntlich ein Faible für Superlative hat, stellt diese Personalie wenige Tage vor der Wahl in den USA tatsächlich einen politischen Triumph dar: Der US-Senat hat am Montagabend (Ortszeit) die Nominierung von Amy Coney Barrett (48) für den Obersten Gerichtshof bestätigt. Bereits gestern wurde sie vom Vorsitzenden Richter John Roberts vereidigt. Mit der Berufung der vergleichsweise jungen Juristin zum Verfassungsgericht hat Trump wohl für Jahrzehnte eine erzkonservative Mehrheit am Supreme Court zementiert und seinen Anhängern ein großzügiges Wahlgeschenk beschert. Barrett könnte in Grundsatzentscheidungen, von Abtreibung über Waffengesetze und Diskriminierung am Arbeitsplatz bis zur von den Republikanern verhassten Gesundheitsreform Obamacare, womöglich sogar nach einem womöglich strittigen Ausgang der Präsidentschaftswahl das Zünglein an der Waage sein.Die siebenfache Mutter, unter ihrem Nachwuchs zwei adoptierte Kinder aus Haiti, hat mit schwindelerregendem Tempo eine politische Karriere gemacht, wie sie unter kaum einem anderen Präsidenten denkbar gewesen wäre. Vergangenes Jahr lehrte sie noch an der Universität von Notre Dame Rechtswissenschaften. Durchaus unerwartet ernannte der Präsident, der seit Beginn seiner Amtszeit mehr als 200 konservative Bundesrichter ins Amt gehievt hat, die Jura-Professorin zum 7. Bundesberufungsgericht in Chicago. Dort war die tiefgläubige Katholikin gerade einmal elf Monate tätig, als nach dem Tod der linksliberalen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg der Anruf aus Washington kam und der Präsident ihr die Nachfolge der legendären “RBG” anbot.Demokraten wehrten sich heftig gegen das überstürzte Verfahren, waren aber angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Senat, der als einzige der beiden Kongresskammern Verfassungsrichter bestätigen muss, machtlos. Selbstbewusst parierte Barrett Fragen misstrauischer Oppositioneller. Sie wollte sich partout nicht äußern, ob sie exakt im Sinne ihres Vorbilds, des verstorbenen Richters Antonin Scalia, entscheiden würde, unter dem Barrett als Rechtsreferentin gearbeitet hatte.Nach ihrer Vereidigung betonte die Richterin, dass “eine Senatorin die Aufgabe hat, ihre politischen Präferenzen zu verfolgen, eine Richterin diesen aber widerstehen muss”. Gleichwohl geben frühere Entscheidungen ebenso Aufschluss über Barretts Neigungen wie ihr Ruf als strenge Interpretin der Verfassung: Ihrer Auffassung nach haben Richter die Verfassung strikt im Sinne der Gründerväter umzusetzen, statt diese durch höchstrichterliche Urteile weiterzuentwickeln.Ihre Urteile gaben Arbeitgebern das Recht, anhand ethnischer Kriterien zu diskriminieren, schwächten Verbraucher gegen Großkonzerne, verwässerten Rechte von Einwanderern, räumten vorbestraften Schwerverbrechern das Recht auf Waffenbesitz ein. Über Abtreibung hat Barrett zwar nicht entschieden, in Aufsätzen aber signalisiert, dass sie das gesetzlich verankerte Recht auf Schwangerschaftsabbruch abschaffen würde. Ihre wichtigste Entscheidung könnte bereits Wochen nach der Wahl fallen, falls Trump wie angedeutet eine etwaige Niederlage vor Gericht anficht. Das hat der Präsident ausdrücklich in den Raum gestellt. Am Montag hat der Supreme Court entschieden, keine spät eintreffenden Briefwahlstimmen in Wisconsin auszählen zu lassen – letztmalig ohne Amy Coney Barrett.