Inflation

Türkei steht vor weiteren Zinserhöhungen

Die Inflation in der Türkei sinkt nur langsam, die Kernrate steigt sogar. Wie der künftige Kurs der Notenbank aussieht, dürfte damit vorprogrammiert sein.

Türkei steht vor weiteren Zinserhöhungen

Türkei steht vor weiteren Zinserhöhungen

Inflation sinkt nur langsam – Kernrate steigt – Zentralbank bekräftigt Kurswechsel

mpi Frankfurt

Der kräftigen Leitzinserhöhung um 650 Basispunkte Ende Juni in der Türkei dürfte eine weitere deutliche geldpolitische Straffung folgen. Das Inflationsziel der türkischen Notenbank von 5% bleibt in weiter Ferne, wie aus den am Mittwoch veröffentlichten Daten des türkischen Statistikamts zur Entwicklung der Verbraucherpreise im Juni hervorgeht. Die Inflation sank nur minimal von 39,6% auf 38,2%. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten im Vorfeld sogar mit einem noch geringeren Rückgang gerechnet. Die Kerninflation, die als guter Indikator für den zugrunde liegenden Preisdruck gilt und bei der die schwankungsanfälligen Lebensmittel- und Energiepreise nicht berücksichtigt sind, ist im Juni sogar gestiegen. Sie legte von 46,6% auf 47,3% zu.

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„Einer der schwersten Lira-Einbrüche im letzten Jahrzehnt ist hauptsächlich für den Anstieg der Kerninflation verantwortlich“, sagte Bartosz Sawicki, Marktanalyst beim Fintech Conotoxia. Die türkische Währung hat unter der unorthodoxen Geldpolitik der Notenbank in den vergangenen zwei Jahren gelitten. Trotz der hohen Inflation im Land, die zu den höchsten weltweit zählt, senkte die Zentralbank ab September 2021 wiederholt die Leitzinsen, ehe sie ab Februar 2023 bis Juni eine Zinspause einlegte. Seit September 2021 verlor die Lira gegenüber dem Dollar rund zwei Drittel an Wert. Präsident Recep Tayyip Erdogan gilt als Befürworter niedriger Zinsen, um die Wirtschaft über günstige Finanzierungskonditionen anzukurbeln. Die hohe Inflation belastet jedoch Verbraucher und Unternehmen und reduziert das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Türkei. Beobachter gehen davon aus, dass Erdogan erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Notenbank nimmt. Darauf deuten auch jüngste Äußerungen von ihm hin. „Nach den Überlegungen unseres Finanzministers haben wir akzeptiert, dass er in Absprache mit der Zentralbank schnell Maßnahmen ergreifen wird“, sagte Erdogan.

Nach seiner Wiederwahl im Mai hatte Erdogan sein Kabinett und auch die Führung der türkischen Zentralbank ausgetauscht. Die neue Notenbankchefin Hafize Gaye Erkan und der neue Finanzminister Mehmet Simsek gelten als Verfechter einer orthodoxen Geldpolitik. Beim Zinsentscheid im Juni folgte dann auch der vielfach erwartete Kurswechsel.Die Notenbank hob den Leitzins von 8,5% auf 15% an. Ökonomen und Finanzmarktteilnehmer reagierten dennoch enttäuscht – sie hatten angesichts der hohen Inflation und der schwachen Lira mit einer Erhöhung auf mindestens 20% gerechnet.

Die nun veröffentlichten Inflationsdaten machen weitere deutliche Zinserhöhungen in der Türkei wahrscheinlich. Wie aus dem bereits am Montag veröffentlichten Sitzungsprotokoll hervorgeht, sprach sich die Notenbank bei ihrem Entscheid Ende Juni für weitere Zinserhöhungen aus, solange das Inflationsziel von 5% noch in weiter Ferne liegt. „Der geldpolitische Straffungsprozess wird fortgesetzt, bis eine deutliche Verbesserung der Inflationsaussichten erreicht ist“, heißt es in dem Protokoll. Die Notenbank sieht eine solche Verbesserung derzeit nicht. „Aktuelle Indikatoren deuten auf eine Zunahme des zugrunde liegenden Inflationstrends hin.“ Die am Mittwoch veröffentlichten Inflationsdaten dürften diese Einschätzung bekräftigen.

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