Türkische Notenbank agiert bei geldpolitischem Kurswechsel vorsichtig
Vorsichtiger Kurswechsel in der Türkei
Leitzins steigt geringer als erwartet – Sorge vor Problemen mit Finanzstabilität
Die türkische Notenbank erhöht den Leitzins um 2,5 Prozentpunkte auf 17,5%. Wie schon im Juni hatten viele Ökonomen im Vorfeld einen größeren Zinsschritt erwartet – und gefordert. Andere Volkswirte haben dagegen Verständnis für die Entscheidung der Zentralbank und sorgen sich um die Finanzstabilität der Türkei.
mpi Frankfurt
Die türkische Zentralbank setzt ihre im Juni eingeleitete Zinswende fort, hebt den Leitzins jedoch ein weiteres Mal geringer an, als von vielen Ökonomen im Vorfeld erwartet wurde. Er steigt um 2,5 Prozentpunkte auf nun 17,5%, wie die Notenbank am Donnerstag in Ankara bekannt gab. Von Reuters befragte Volkswirte hatten im Schnitt mit einer Anhebung auf 20,0% gerechnet.
„In unserem Land deuten die jüngsten Indikatoren auf eine Fortsetzung des Anstiegs des zugrundeliegenden Inflationstrends hin“, teilte die Zentralbank in ihrer Stellungnahme zum Zinsentscheid mit. Die Teuerung in der Türkei war zuletzt zwar rückläufig, gehörte mit 38,2% im Juni jedoch weiterhin zu den höchsten weltweit und befindet sich deutlich oberhalb des Inflationsziels der Zentralbank von 5%. Zudem gibt es Zweifel an der Richtigkeit der offiziellen Inflationsrate. So geht etwa die in Istanbul ansässige Inflations-Forschergruppe Enag davon aus, dass die Zahlen geschönt sind und die Teuerung eher bei rund 100% liegt.
Nicht nur die in jedem Fall viel zu hohe Inflationsrate, sondern auch die schwache türkische Lira ist ein Problem für die Währungshüter. In diesem Jahr hat sie gegenüber dem Dollar rund 30% verloren. 2022 waren es ebenfalls 30% und 2021 sogar 44%. Die türkische Währung hatte massiv unter der unorthodoxen Geldpolitik des Landes gelitten. Bis zu den Präsidentschaftswahlen im Mai dieses Jahres senkte die Zentralbank trotz hoher Inflation den Leitzins oder ließ ihn unverändert. Ziel der lockeren Geldpolitik war eine Stimulierung der schwächelnden türkischen Wirtschaft durch günstigere Kreditkonditionen.
Konterkarierende Steuerpolitik
Nach seinem knappen Sieg in der Stichwahl tauschte der wiedergewählte Präsident Recep Tayyip Erdogan unter anderem die Spitze des Finanzministeriums und der Notenbank aus. Unter der neuen Chefin Hafize Gaye Erkan leitete die Zentralbank einen Kurswechsel ein – der für viele Ökonomen jedoch zu zaghaft ist angesichts der extrem hohen Inflation. Die Erhöhung des Leitzinses von 8,5 auf 15% Ende Juni sei nicht kräftig genug gewesen. Und auch für den nun verkündeten Zinsschritt gibt es Kritik. „Eine schreckliche Entscheidung“, sagte Analyst Tim Ash vom Vermögensverwalter Bluebay Asset Management. Andere Experten äußerten Verständnis. „Es bestehen ernsthafte Bedenken, dass ein zu schnelles Vorgehen möglicherweise die Finanzstabilität gefährden und die Wirtschaft im Allgemeinen erschüttern könnte“, sagte Chefvolkswirt Stuart Cole von Equiti Capital.
Eine zusätzliche Herausforderung für die Zentralbank ist die hohe Verschuldung des türkischen Staatshaushaltes. Bis Mai stieg das Staatsdefizit des laufenden Jahres auf 264 Mrd. Lira an, umgerechnet etwa 10 Mrd. Dollar. 2022 war das Defizit nur halb so hoch. Neben den wirtschaftlichen Auswirkungen des verheerenden Erdbebens im Südosten des Landes zu Beginn des Jahres belasten vor allem die zahlreichen Ausgabenprogramme, die Erdogan im Rahmen seines Wahlkampfes beschloss, die Staatskasse.
Um die öffentlichen Finanzen zu verbessern, verkündete die Regierung zuletzt eine Reihe von Steuererhöhungen. So wurde die Mehrwertsteuer auf Waren und Dienstleistungen von 18% auf 20% angepasst. Auch die Steuer auf Benzin und Diesel ist nun deutlich höher. In der Folge dürften die Spritpreise an der Tankstelle um rund 20% klettern – was wiederum den Inflationsdruck in der Türkei steigern wird.