Türkei senkt Leitzins trotz höherer Inflation
rec Frankfurt – Trotz stark gestiegener Preise bleibt die türkische Zentralbank ihrem Lockerungskurs treu. Am Mittwoch senkte sie den Leitzins um 50 Basispunkte auf 10,75 %. Analysten hatten den Schritt mehrheitlich in dieser Höhe erwartet. Seit Mitte 2019 haben die Währungshüter den Leitzins, ausgehend von 24 %, mehr als halbiert. Seinerzeit hatte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seinen Zentralbankchef Murat Cetinkaya gefeuert. Cetinkaya hatte die von Erdogan geforderten Zinssenkungen immer wieder abgelehnt. Unter dem neuen Chef Murat Uysal hat die Notenbank in Ankara nun zum sechsten Mal nacheinander ihre Geldpolitik gelockert. Auf diese Weise will sie die türkische Wirtschaft auf Kurs zu den von Erdogans Regierung angepeilten 5 % Wachstum halten.Fachleute sehen den lockeren Kurs zunehmend kritisch. Im Januar waren die Verbraucherpreise um 12,2 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Die türkische Notenbank sieht mit Blick auf ihre Inflationserwartungen die Teuerungsrate indes unverändert auf “disinflationärem Pfad”. Manfred Stamer, Senior Volkswirt beim Kreditversicherer Euler Hermes, bezweifelt das. “Wir glauben, dass die Zinssenkung das Risiko einer starken Wechselkurskorrektur im weiteren Verlauf dieses Jahres erhöht hat.” Stamer erwartet, dass die türkische Lira auf Jahressicht um etwa 10 % gegenüber dem Dollar abwerten dürfte. Das könne vielen türkischen Unternehmen Probleme bereiten, weil diese häufig in Dollar verschuldet sind. Zuletzt hat sich das türkische Leistungsbilanzdefizit Stamer zufolge wieder dem Niveau vor der Währungs- und Verschuldungskrise von 2018 angenähert. Dessen ungeachtet schließt ING-Ökonom Muhammet Mercan weitere Zinssenkungen nicht aus.