Überraschend unbeholfenes China

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 27.9.2017 Im Zweifelsfall mehr Sanktionen, aber bitte weniger Beleidigungen: Der Nordkoreakonflikt hat in den letzten Tagen vor allem durch wüste gegenseitige Beschimpfungen und verbale Beleidigungen...

Überraschend unbeholfenes China

Von Norbert Hellmann, SchanghaiIm Zweifelsfall mehr Sanktionen, aber bitte weniger Beleidigungen: Der Nordkoreakonflikt hat in den letzten Tagen vor allem durch wüste gegenseitige Beschimpfungen und verbale Beleidigungen des US-Präsidenten Donald Trump und des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un an Schärfe zugenommen. In China sieht man dem Treiben mit wachsendem Unbehagen zu. Die von Peking vertretene Überzeugung, dass sich die Gefahr von kriegerischen Handlungen auf der koreanischen Halbinsel oder gar eines atomaren Erstschlags eines der beiden Kontrahenten nur durch Verhandlungen zwischen Washington und Pjöngjang bannen lässt, wird von der verbalen Rauflustigkeit Trumps und Kims stark in Frage gestellt.In Washington sieht man den Ball im chinesischen Feld liegen und erwartet weiter, dass das Reich der Mitte als mächtigster Nachbar Nordkoreas und militärischer Verbündeter im Koreakrieg der fünfziger Jahre seine diplomatischen und wirtschaftlichen Muskeln spielen lässt. China soll die nordkoreanische Führung unter Druck setzen, ihr Nuklearwaffenprogramm zurückzufahren. MisstrauensverhältnisAuf politischer Seite kann China diese Rolle immer weniger erfüllen, denn die Einflussmöglichkeiten Pekings auf Pjöngjang scheinen im Westen noch immer grob überschätzt. Mit dem Übergang der Macht in Nordkorea von Kim Jong-il auf seinen jüngsten Sohn Kim Jong-un und dem zeitnah erfolgten Antritt der heutigen chinesischen Staatsführung um Präsident Xi Jinping ist dem jahrzehntelang gepflegten diplomatischen Austausch auf höchster Ebene ein Vakuum gefolgt. Es herrscht ein extremes Misstrauensverhältnis, was man allein daran sieht, dass es seit den Wechseln in Peking und Pjöngjang keine Begegnung zwischen Chinas Präsidenten und dem nordkoreanischen Führer gab und auch keine sonstigen Treffen auf höherer Regierungsebene mehr stattfanden. Abgesehen davon fällt auch auf, dass die nordkoreanischen Provokationen mit Raketen- und Bombentests fast immer mit wichtigen Regierungsanlässen in China korrespondieren und auch Pekings Hilflosigkeit gewissermaßen vorführen sollen.Die politische Eiszeit zwischen Peking und Pjöngjang hat die beiden Nachbarn allerdings nicht daran gehindert, ihre wirtschaftlichen Beziehungen und Handelsverflechtungen zu intensivieren, was wesentlich zu einer wirtschaftlichen Aufrüstung und verbesserten Lebensbedingungen auf koreanischer Seite geführt hat. Die US-Regierung erwartet nun, dass China als wichtigster Wirtschaftspartner Nordkoreas auch Möglichkeiten hat, Kims nukleare Ambitionen zu beeinflussen. Als Druckmittel fungiert die Verquickung von Handelsstreitigkeiten zwischen China und USA und der Lösung des Nordkoreakonflikts. Der Trump vorschwebende Kuhhandel läuft darauf hinaus, dass China drohenden US-Handelssanktionen dann entkommt, wenn es mit seiner Gangart gegenüber Nordkorea Washington nicht enttäuscht. Peking befindet sich damit in einer Zwickmühle und muss das geringere Übel wählen. Dabei hat man sich widerwillig auf die von den USA bei den Vereinten Nationen (UN) erwirkten Wirtschaftssanktionen gegenüber Nordkorea eingelassen. Finanzielle DaumenschraubeIm Zweifelsfall dürfte die Beschränkung von Finanzierungswegen Nordkorea am härtesten treffen. Hier hat sich Washington etwas einfallen lassen, indem es Banken, die Geschäfte mit Nordkorea betreiben, mit einem Ausschluss aus dem US-Finanzsystem und damit auch dem Dollarkreislauf droht. Letzteres kann sich China nicht leisten und untersagt nun auch seinen Banken entsprechende Kontakte. Dies dürfte Nordkoreas Wirtschaftspotenzial zwar progressiv lähmen, es bleibt aber freilich völlig offen, ob damit auch der Radius für die Fortführung von nordkoreanischen Waffenprogrammen eingeschränkt wird.Gegenwärtig wirkt es, als hätten eher die USA als China das Heft des Handelns in der Hand. Peking hat seine Bereitschaft, bei den UN-Sanktionen mitzumachen, eher kleinlaut an die Bedingung geknüpft, dass die USA von kriegerischen Handlungen auf der koreanischen Halbinsel absehen und in einen strategischen Dialog mit Nordkorea eintreten, um auf einen gegenseitigen Nichtangriffspakt hinzuarbeiten. Die Qualität, die der “Dialog” zwischen Trump und Kim bislang angenommen hat, war damit aber sicherlich nicht gemeint. ——–Die Fähigkeiten Chinas, Nordkorea zur Räson zu bringen, werden im Westen stark überschätzt.——-