OECD-Wirtschaftsausblick

Überlastung der Staatsfinanzen droht

In ihrem Wirtschaftsausblick zeichnen die OECD-Ökonomen ein pessimistisches Bild. Es muss sich dringend etwas tun in Sachen Renten- und Arbeitsmarktreform. Sonst sieht es beim weltweiten Wirtschaftswachstum und Wohlstand mau aus.

Überlastung der Staatsfinanzen droht

ast Frankfurt

Dass die Wachstumsraten von 3% und mehr, die viele Statistikämter in den Industriestaaten derzeit registrieren, nicht von Dauer, sondern Nachholeffekten nach dem Wirtschaftseinbruch durch die Pandemie geschuldet sind, war klar. Doch auch mit Blick auf den weiteren ökonomischen Pfad zeichnet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem am Dienstag veröffentlichten Wirtschaftsausblick ein tristes Bild. Nicht nur ist die Staatsverschuldung durch die Coronakrise explodiert – laut OECD wird sie 2022 bis zu 25 Prozentpunkte höher liegen, als dies ohne die Pandemie der Fall gewesen wäre. Auch sinken aufgrund des demografischen Wandels und einer geringeren Produktivität die Trendwachstumsraten. Ohne eine Politikänderung dürften sie sich weiter abschwächen, so die OECD-Ökonomen.

Indien überholt China

So werden dem Basisszenario zufolge die Wachstumsraten weltweit bis zum Jahr 2060 auf etwa 1,5% sinken. Ein großer Teil dieser Entwicklung dürfte demzufolge auf das deutlich verlangsamte Wachstum in den großen Schwellenländern zurückgehen. Insbesondere China und Indien listen die Autoren des Wirtschaftsausblicks als Motoren des weltweiten Wachstums. Ihnen zufolge wird Indien den Beitrag Chinas zum Weltwirtschaftswachstum in den 2040er Jahren übertreffen. In den meisten Ländern der OECD dürfte sich das Pro-Kopf-Wachstum jedoch stark abschwächen. Die Staatshaushalte kommen zudem durch die alternde Bevölkerung zunehmend in Bedrängnis. Der fiskalische Druck könnte daher in den OECD-Ländern im Median um 8 Prozentpunkte steigen, so die Autoren. Das ginge wiederum zwangsläufig zulasten des Wohlstands und des Lebensstandards.

In verschiedenen politischen Szenarien kommen die OECD-Autoren jedoch auch zu einem positiven Ergebnis: Reformen insbesondere von Arbeitsmarkt und Rentensystemen könnten den Druck auf die Staatsfinanzen und den Lebensstandard verringern.

Noch allerdings prägen die Ausläufer der Coronakrise die Politik. Der OECD-Bericht mahnt: „Sobald sich die wirtschaftliche Erholung stabilisiert hat, müssen die Regierungen ihre vorübergehenden Programme einstellen und die langfristigen Haushaltspläne neu bewerten.“ Die schuldenfinanzierten Unterstützungsprogramme vieler Staaten in der Coronakrise seien aber gerechtfertigt gewesen. Trotz der historisch günstigen Finanzierungsbedingungen durch niedrige Zinsen steige dadurch aber auch langfristig der Druck auf die Staatsfinanzen.  Zumal nicht damit gerechnet werden dürfe, dass die Verschuldungsbedingungen aufgrund niedriger Zinsen weiterhin so günstig blieben.

Ohne umfassende Reformen würden sich die Schuldenquoten auf den derzeit durch die Pandemie bedingten sehr hohen Niveaus stabilisieren. Die Gefahr, dass die Regierungen so an Handlungsfähigkeit etwa im Bereich öffentlicher Investitionen und Konjunkturschwankungen einbüßten, sei groß. Japan, Italien und Griechenland seien dieser Gefahr besonders ausgesetzt, haben sie doch eine überdurchschnittlich alte Bevölkerung (Japan) oder eine bereits sehr hohe Staatsschuldenquote.  Weiterer finanzieller Druck entsteht auf die Staatshaushalte der Industrieländer durch steigende Ausgaben für das Gesundheits- und Pflegesystem, die zwangsläufig mit einer alternden Gesellschaft zu erwarten sind.

Renteneintrittsalter erhöhen

Ziel der von den OECD-Ökonomen empfohlenen Politikveränderung ist in erster Linie eine höhere Beschäftigungsquote. Ohne einen Politikwandel dürfte diese nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels hin zu einer älteren Bevölkerung deutlich sinken (siehe Grafik), mit entsprechenden Auswirkungen auf den Wohlstand. Derzeit trägt der Faktor Arbeit, also die Kombination aus Beschäftigungsrate und arbeitender Bevölkerung, etwa ein Drittel zum durchschnittlichen Wachstum in den OECD-Ländern bei. Schon 2030 könnte sein Anteil jedoch auf null sinken. Den OECD-Berechnungen zufolge würde eine höhere Beschäftigungsquote das Wachstum pro Kopf in vielen Ländern um durchschnittlich 7 Prozentpunkte bis 2060 steigern. In Belgien, Frankreich und Italien erwarten die Ökonomen gar eine Steigerung von bis zu 10%, da diese Länder viel aufholen könnten.

Konkret schlagen die Autoren des Wirtschaftsausblicks die Anhebung des effektiven Rentenalters vor. Die Lebenserwartung in den Industrieländern steigt seit Jahren. Von dem Gewinn an Lebenszeit müssten demnach zwei Drittel auf die Arbeitszeit aufgeschlagen werden. Dann könnte der fiskalische Druck im Durchschnitt um die Hälfte reduziert werden. Gleichzeitig sollten die Staaten den Berechnungen zufolge die Möglichkeiten von Frühverrentung und Vorruhestand überarbeiten. Derzeit liegt in den meisten der 38 OECD-Länder das tatsächliche Renteneintrittsalter deutlich unterhalb des gesetzlichen Rentenalters.

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