EU-Erweiterung

Ukraine auf langem Weg in die EU

Die EU-Kommission empfiehlt die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Die Entscheidung fällt auf dem EU-Gipfel – doch so oder so spricht einiges gegen einen Beitritt im Schnelldurchlauf.

Ukraine auf langem Weg in die EU

Ukraine auf langem Weg in die EU

EU-Kommission empfiehlt Beitrittsverhandlungen – EU-Gipfel entscheidet im Dezember

rec Brüssel

Die Europäische Kommission empfiehlt die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine – doch der Weg des Landes in die Europäische Union dürfte lange werden. Die Regierung in Kiew habe vier der sieben gestellten Bedingungen erfüllt und andere seien kurz vor dem Abschluss, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Die Fortschritte seien „beeindruckend“.

Die Ukraine ist erst seit einem Jahr Beitrittskandidat – eine Reaktion auf Russlands Angriffskrieg, bei dem kein Ende in Sicht ist. Die Aufnahme offizieller Beitrittsgespräche gilt als logischer nächster Schritt. Final entscheiden müssen darüber die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel Mitte Dezember.

Alles andere als ein positives Votum wäre eine große Überraschung und ein schwerer Rückschlag für die Ukraine und ihre Alliierten. Gegen einen EU-Beitritt im Schnelldurchlauf gibt es allerdings erhebliche Vorbehalte. Das wurde vor wenigen Monaten deutlich: Als EU-Ratspräsident Charles Michel der Ukraine indirekt einen Beitritt bis 2030 in Aussicht stellte, sorgte das für Irritationen. Die verbreitete Sorge: Derart konkrete Zeitpläne könnten falsche Erwartungen wecken, die am Ende nicht zu halten sind.

Die Gründe liegen zum einen in der Ukraine selbst. Das Land galt noch vor zwei Jahren als nicht beitrittsfähig. Kiew hat sich inzwischen zwar mit eiligen Reformen gegen Korruption und für mehr Rechtsstaatlichkeit profiliert. Doch bis zu einem möglichen Beitritt gibt es eine Menge weiterer Hürden aus dem Weg zu räumen. Unklar ist auch, ob die EU ein Land, das sich im Krieg befindet, überhaupt aufnehmen könnte.

„Keine Abkürzungen“

Dementsprechend bremsen selbst Befürworter einer entschlossenen EU-Erweiterung. Von der Leyen sagte am Mittwoch, der Zeitpunkt eines Beitritts sei vom Tempo der Reformen abhängig. SPD-Politikerin Katarina Barley relativierte: Es müsse klar sein, dass die Beitrittsverhandlungen Zeit benötigen werden. Die Ukraine müsse die erforderlichen Kriterien erfüllen, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments. „Hier dürfen keine Abkürzungen genommen werden.“

Andererseits liegen die Gründe für ein behutsames Vorgehen innerhalb der EU. Die Entscheidungswege sind schon mit gegenwärtig 27 Mitgliedstaaten kompliziert und lang. Eine EU-Erweiterung müsste mit internen Reformen einhergehen, machen auch Vertreter der Bundesregierung wie Außenministerin Annalena Baerbock deutlich. Dabei geht es beispielsweise um eine Abkehr vom Prinzip der Einstimmigkeit in Steuerfragen und in der Außenpolitik, Stichwort Sanktionen.

Außerdem zeichnen sich Verteilungskämpfe und Kompetenzgerangel ab. Ein Beitritt der Ukraine hätte tektonische Verschiebungen im EU-Haushalt zur Folge – nicht zuletzt, weil es sich um ein riesiges Agrarland handelt. Subventionen für die Landwirtschaft sind der mit Abstand größte Posten im EU-Budget. Bundeskanzler Olaf Scholz hat beim jüngsten EU-Gipfel klargestellt, dass die Zahl der Kommissare bei 30 oder mehr Mitgliedern nicht automatisch mitwachsen dürfe. Die längst als kritisch erachtete Größe des EU-Parlaments würde ebenso zum Problem.

Weitere Aspiranten

Zumal die Ukraine mit ihren Bestrebungen nicht alleine ist. Neun weitere Länder machen sich Hoffnungen. Den meisten bescheinigt von der Leyen ebenfalls Fortschritte. Allen voran Moldau kommt zügig voran, weshalb die EU-Kommission auch in diesem Fall die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen empfiehlt. Bosnien-Herzegowina darf sich Hoffnungen machen. Georgien verdient nach Ansicht der EU-Kommission Kandidatenstatus. Der Beitrittsprozess mit der Türkei steckt fest.

Sollte der EU-Gipfel grünes Licht für Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine geben, wird umgehend eine Delegation aus Brüssel in Kiew ihre Arbeit aufnehmen. Man habe „keine Zeit zu verlieren“, sagt ein hochrangiger EU-Beamter.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.