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Ultra-Rechter wird Italiens Europaminister

Von Gerhard Bläske, Mailand Börsen-Zeitung, 11.7.2019 Die italienische Regierung hat sich lange Zeit gelassen mit der Ernennung eines Nachfolgers für den im Februar aus dem Amt geschiedenen Europaminister Paolo Savona, der Chef der Börsenaufsicht...

Ultra-Rechter wird Italiens Europaminister

Von Gerhard Bläske, MailandDie italienische Regierung hat sich lange Zeit gelassen mit der Ernennung eines Nachfolgers für den im Februar aus dem Amt geschiedenen Europaminister Paolo Savona, der Chef der Börsenaufsicht Consob wurde. Am gestrigen Mittwoch war es dann endlich so weit: Lorenzo Fontana (39), bisher Familienminister, wird Nachfolger Savonas. Premierminister Giuseppe Conte hatte den Posten seit Februar mit übernommen. Fontanas bisherige Funktion übernimmt Alessandra Locatelli, ebenfalls 39, und bisher Parlamentsabgeordnete.Fontana ist ein eingefleischter Lega-Mann vom rechten Flügel der Partei und ein enger Vertrauter von Parteichef und Vizepremier Matteo Salvini. Er kündigte an, das Dublin-Abkommen, nach dem Flüchtlinge dort Asyl beantragen müssen, wo sie zuerst europäischen Boden betreten, möglichst rasch aushebeln zu wollen. Außerdem dürfe Italien in Europa nicht mehr nur als Mannschaft der zweiten Liga wahrgenommen werden.Salvini hatte kürzlich gesagt, Regierungschef Conte, der Fontana sofort akzeptiert hatte, vorschlagen zu wollen, den Minister für europäische Angelegenheiten aus Rom “sieben von sieben Tagen” nach Brüssel zu schicken. Er solle dort vor allem nationale Interessen verteidigen. Die Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung ist europakritisch eingestellt und will sich bei den EU-Staaten vor allem in Sachen Migration und Finanzen Gehör verschaffen. Die beiden Koalitionspartner sind zwar in vielen Punkten zerstritten, sich aber in den zentralen Punkten ihrer Europapolitik vielfach weitgehend einig.Trotz seiner Jugend kann Fontana bereits auf eine recht lange politische Karriere zurückblicken. Der gebürtige Veronese, der in Padua Politische Wissenschaften und Soziologie sowie in Rom Geschichte studiert hat, wurde bereits mit 22 Stadtrat in Verona. Und er verfügt durchaus über eine langjährige europapolitische Erfahrung. 2009 wurde er erstmals ins Europäische Parlament gewählt und 2015 bestätigt. In Straßburg bemühte er sich besonders um eine Annäherung an den Front National (heute Rassemblement National) der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen. 2017/18 war Fontana stellvertretender Bürgermeister in seiner Heimatstadt. Diesen Posten legte er nieder, als er am 1. Juni 2018 Familienminister wurde.Der Fan des Zweitliga-Fußballclubs Hellas Verona ist ein ultrakonservativer Katholik, der Abtreibung ebenso ablehnt wie die Ehe unter Homosexuellen; er ist zudem gegen die Adoption von Kindern durch Homosexuelle. Er bekämpft die Massenimmigration in Italien, ein aus seiner Sicht zu liberales Asylrecht und die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen, die mit ihren Rettungsschiffen im Mittelmeer das Geschäft kommerzieller Schleuser betreiben würden, wie er sagt. Ebenso wie Salvini, steht er Russlands Präsident Wladimir Putin nahe, der die Lega angeblich seit Jahren finanziert, was Salvini aber bestreitet.Fontana, verheiratet und Vater einer Tochter, macht es Europa in seiner neuen Funktion sicher nicht leicht. Noch schwieriger geworden wäre es jedoch mit dem Euro-Gegner Alberto Bagnai, den Salvini offenbar ursprünglich nominieren wollte. Der Präsident der Finanzkommission des italienischen Senats, wäre jedoch eine klare Provokation gegenüber Brüssel, aber auch gegenüber Staatspräsident Sergio Mattarella, gewesen. Letzterer muss die Ernennung absegnen und im Fall Savonas, der ursprünglich Wirtschafts- und Finanzminister hatte werden sollen, machte der Präsident bereits im vergangenen Jahr deutlich, dass er seine Befugnisse durchaus nutzt. Eine weitere Zurückweisung wollte Salvini anscheinend nicht noch einmal riskieren.