Unbeholfen und unfähig

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 9.7.2019 Wäre Kim Darroch (65) tatsächlich der große Diplomat, als den ihn manche nun darstellen, hätte sich der britische Botschafter in den USA mehr damit beschäftigt, welche Vorteile der Wahlsieg von...

Unbeholfen und unfähig

Von Andreas Hippin, LondonWäre Kim Darroch (65) tatsächlich der große Diplomat, als den ihn manche nun darstellen, hätte sich der britische Botschafter in den USA mehr damit beschäftigt, welche Vorteile der Wahlsieg von Donald Trump für das Vereinigte Königreich bot. Schließlich führte der Clinton-Rivale seinen Triumph unter anderem auf das britische Votum für den Brexit zurück. Stattdessen lesen sich die von der “Mail on Sunday” veröffentlichten Depeschen des einstigen Europaberaters von Tony Blair aus Washington so, als sei es ihm vor allem darum gegangen, vor Gleichgesinnten mal so richtig über den ungehobelten Emporkömmling im Weißen Haus abzulästern. “Von hier aus betrachtet glauben wir nicht, dass diese Regierung wesentlich normaler wird; weniger dysfunktional, weniger unberechenbar, weniger zerstritten, weniger diplomatisch unbeholfen und unfähig”, heißt es in einem der jetzt nicht mehr geheimen Dokumente aus der Feder von Sir Kim, der von 2007 bis 2012 als ständiger Vertreter des Landes in Brüssel diente. Das Weiße Haus sei unter Trump “auf einzigartige Weise dysfunktional” und “gespalten”. Um zu Schlüssen dieser Qualität zu kommen, bedarf es keines Statthalters in Washington, sondern lediglich der regulären Zeitungslektüre.Darroch hatte vermutlich ganz andere Erwartungen, als er 2016 in die amerikanische Hauptstadt kam, galt doch in seinen Kreisen der Wahlsieg Hillary Clintons als ausgemacht. Der Posten war als Dankeschön für Jahrzehnte braver Dienste gedacht, nicht als Bewährungsprobe – Champagnerempfänge, Kamingespräche, gegenseitiges Schulterklopfen. Und dann so etwas!Unter der Führung des studierten Zoologen verfügte die Botschaft über keine belastbaren Kontakte zu Trump und seinem Umfeld. Ausgerechnet Nigel Farage traf sich schließlich als erster britischer Politiker mit Trump nach dessen Wahlsieg. Premierministerin Theresa May hatte dem für den Außenhandel zuständigen Staatssekretär Liam Fox untersagt, sich vorher mit Farage zu treffen. Der frischgebackene US-Präsident empfahl im Anschluss an das Treffen mit Farage, den ehemaligen Chef der UK Independence Party, dessen neues Vehikel bei den Europawahlen in Großbritannien an allen anderen britischen Parteien vorbeizog, zum Botschafter in den USA zu machen.Nach Bekanntwerden der Depeschen Darrochs sagte er, er sei “kein großer Fan” dieses Herrn, der seinem Land “keinen guten Dienst erwiesen” habe. May sprach ihrem US-Botschafter gleichwohl ihr vollstes Vertrauen aus. Geht es darum, “diplomatisch unbeholfen und unfähig” zu agieren, steht ihre Regierung der Trump-Administration damit in nichts nach. Anders als May steht Trump jedoch allen Vorhersagen einer möglichen Abwärtsspirale und eines Abgangs in Schimpf und Schande zum Trotz vor der Wiederwahl. Ihr Nachfolger wäre gut beraten, einen anderen Versorgungsposten für Darroch zu finden.—— Depeschen aus der britischen US-Botschaft belasten die Special Relationship.——