Unerwartetes Umsatzplus für deutsche Einzelhändler
Unerwartetes Umsatzplus für deutsche Einzelhändler
Jahresvergleich zeigt aber Bremswirkung der Inflation – Lebensmittelhandel besonders betroffen
ba Frankfurt
Die deutschen Einzelhändler bekommen auch im Mai die Zurückhaltung der Konsumenten zu spüren. Zwar haben sie im Monatsvergleich preis-, saison- und kalenderbereinigt, also real, 0,4% mehr umgesetzt, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. Ökonomen hatten eine Stagnation erwartet. Der Vergleich mit dem entsprechenden Vorjahresmonat – hier steht ein Minus von 3,6% (real) zu Buche – zeigt aber, wie stark die Inflation an der Kaufkraft der Verbraucher zehrt. Ökonomen erwarten daher, dass die Erlöse in den kommenden Monaten eher rückläufig sein werden, solange die Reallöhne nicht spürbar steigen. Für die Konjunktur werden merkliche Impulse seitens der privaten Verbraucher weiter ausbleiben.
Starke Divergenz durch Preisanstieg
Nominal, also inklusive der Preisveränderungen, stiegen die Einzelhandelsumsätze um 0,5% im Monatsvergleich. Gegenüber dem Vorjahr ergibt sich ein Plus von 2,8%. Die Differenz zwischen den nominalen und realen Ergebnissen erklären die Wiesbadener Statistiker mit dem „deutlich gestiegenen Preisniveau im Einzelhandel“. Besonders deutlich wird die Divergenz zwischen nominalen und realen Umsätzen im Einzelhandel mit Lebensmitteln: Hier ging der reale Umsatz um 4,4% im Vergleich zum Vorjahr zurück, während der nominale Umsatz um 6,7% stieg. Damit ist der reale Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel im Vorjahresvergleich bereits seit 23 Monaten rückläufig. „Eine Ursache für diesen deutlichen realen Umsatzrückgang bei gleichzeitigem nominalem Umsatzanstieg sind die nach wie vor hohen Nahrungsmittelpreise“, betonten die Statistiker. Zwar hat sich der Preisauftrieb für Lebensmittel leicht abgeschwächt – im Mai lag der Zuwachs bei 14,9% nach 17,2% im April und 22,3% im März –, doch bleiben die Lebensmittelpreise der stärkste Preistreiber unter den Güterbereichen. Im Monatsvergleich gingen die Erlöse im Einzelhandel mit Lebensmitteln real um 1,4% und nominal um 1,3% zurück. Zugleich sanken die Preise für Lebensmittel leicht um 0,3%.
Die neueste Ifo-Umfrage lässt immerhin auf eine in den kommenden Monaten langsam abebbende Preiswelle schließen. Besonders kräftig sanken im Juni die Preiserwartungen im Einzelhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln. „Dort dürfte das Tempo der Preisanstiege allmählich nachlassen“, hieß es beim Ifo.
Der lange Zeit boomende Internet- und Versandhandel verzeichnete ein Minus von 6,8%.
Besser wird es wohl erst 2024
Angesichts der Daten erwartet Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, dass im laufenden Quartal der Einzelhandelsumsatz stagniert. Die Verbraucher würden weiter auf der Ausgabenbremse stehen: „Wegen hoher Realeinkommensverluste sind Konsummöglichkeiten nun mal beschränkt.“ Angesichts der schlechten Konsumlaune würden die nächsten Monate hart bleiben, womit auch die allgemeinen Konjunkturaussichten trüb seien, so Krüger. Im Juni hat sich erstmals seit Oktober vergangenen Jahres die Verbraucherlaune wieder eingetrübt. Daher prognostizieren die GfK-Konsumforscher für Juli einen Rückgang ihres Barometers um 1,0 auf –25,4 Punkte. „Nach acht Anstiegen in Folge muss das Konsumklima einen ersten Rückschlag hinnehmen“, erklärte GfK-Experte Rolf Bürkl. „Nach wie vor hohe Inflationsraten knabbern spürbar an der Kaufkraft der Haushalte und verhindern, dass der private Konsum seinen positiven Beitrag leisten kann.“
Für Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, hat sich trotz der Umsatzentwicklung im April und Mai an der Grundkonstellation eines schwachen privaten Konsums wenig geändert. Erst im kommenden Jahr gebe es Hoffnung, bei fallenden Inflationsraten in den Genuss von Reallohnsteigerungen zu kommen: „Dies wäre dann auch für Einzelhandelsumsätze ein positiver Impuls“, erwartet Gitzel.