Unheilige Allianz mit dem Populismus

Ökonomen: Disziplinierende Wirkung der Kapitalmärkte verpufft - Gesamtwirtschaft leidet langfristig

Unheilige Allianz mit dem Populismus

Der Kursanstieg nach der Wahl von Donald Trump ist kein Einzelfall in der Geschichte. Ökonomen warnen daher, auf Finanzmärkte als Disziplinierungsinstrument für Populisten zu setzen.Von Stephan Lorz, FrankfurtDer Populismus entfaltet eine ökonomische Kraft, die weit über die Impulse der Geld- und Fiskalpolitik hinausgeht, warnt Ray Dalio, Gründer des Hedgefonds Bridgewater Associates. Ressourcen werden umgeleitet, Anreizstrukturen ändern sich und etablierte Geschäftsmodelle müssen neu ausgerichtet werden, weil Protektionismus um sich greift, Steuermauern errichtet und die Migration restriktiv gehandhabt werden, weil am Währungskurs gedreht, in die Besteuerung der Unternehmen eingegriffen und die Staatsausgaben erhöht werden. Es ist stets ein gewaltiger Umstellungsprozess im Gange, sobald populistische Parteien an eine Regierung kommen.Aber die Sorge von Dalio gilt einem anderen Punkt: Sein Developed World Populism Index signalisiert, dass der Anteil jener Wähler, die für eine populistische oder gegen das Establishment gerichtete Partei stimmen, in den Industrieländern inzwischen bei gut 35 % liegt. Das ist etwa der Wert wie Anfang der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Auch damals ging der Entwicklung eine tiefe Finanzkrise voraus – sie endete aber mit einem Weltkrieg.Wie kann ein solches Unglück verhindert werden? Kann man auf die disziplinierende Macht der Märkte vertrauen? Schließlich verweisen die Ökonomen immer wieder im Hinblick auf die Schuldenkrise darauf, dass höhere Zinsen die Regierungen disziplinieren und zur Konsolidierung zwingen können. Nun haben die Märkte im Vorfeld der Schuldenkrise diesbezüglich zwar versagt; die dahinterstehende Logik ist aber einleuchtend.Im Falle des Populismus gehen viele Beobachter davon aus, dass seine Tage gezählt sind, sobald seine Repräsentanten einmal an die Regierung kommen. Entweder, weil sie die Wirtschaft zugrunde richten, was schon in Vorfeld von den Märkten sanktioniert würde, das Versagen also schneller offenkundig wird. Oder weil sie Kompromisse eingehen müssen, ihre Versprechungen dann nicht erfüllen können und bei ihren Wählern in Ungnade fallen.Aber allein auf die disziplinierende Macht der Märkte zu setzen wäre fatal, warnt der Bonner Ökonom Moritz Schularick bei einer Diskussionsveranstaltung von Allianz Global Investors und der European Association for Banking and financial History. Denn die Märkte haben bis in jüngster Zeit – Stichwort: Trump-Rally – die Regierungsübernahme von Populisten meist begrüßt.Schularick hat 27 Regierungswechsel hin zu Populisten untersucht und kommt zum Ergebnis, dass die jeweiligen Börsenindices selbst nach fünf Jahren im Durchschnitt zwischen 95 % (im Falle von rechtsextremen Populisten) und 41 % (im Falle von linksextremen Populisten) höher lagen also zuvor.Das liegt zum einen daran, dass Populisten meist am Tiefpunkt eines Konjunktur- oder Krisenzyklus gewählt werden und den Aufschwung dann einfach mitnehmen, zum anderen aber auch, weil einige Punkte aus ihrem Regierungsprogramm durchaus wachstumsfördernd wirkten wie höhere Staatsausgaben, mehr Investitionen und eine Abwertung der Währung. Zwar seien in der Gesamtwirtschaft die negativen Folgen einer Abschottungspolitik schnell zu spüren, auf die Märkte wirke sich das aber nicht gleich aus.Kapitalinvestoren profitierten oft auch deshalb von Populisten, weil diese die Aufmerksamkeit ihrer Anhänger auf außenstehende Feindbilder lenkten, was verdeckt, dass sich an ihren wirtschaftlichen Lebensumständen nur wenig ändert. Die höhere Verschuldung treibt die Wirtschaft zwar, und meist werden auch die Unternehmenssteuern gesenkt, das freut aber vor allem die Kapitalseite. “Populisten sind also gar nicht schlecht für Finanzmärkte”, warnt Schularick. Umgekehrt wirke diese unheilige Allianz bis zu einem gewissen Grad sogar stabilisierend für populistische Regierungen.Um Populisten zu verhindern, weil sie gesamtwirtschaftlich und gesellschaftlich großen Schaden anrichten sowie das politische Klima in einer Demokratie vergiften, sollte sich die Politik daher nicht scheuen, die “durchaus wirksamen Punkte auf deren Agenda” für sich zu nutzen, meint er und verweist auf mehr Staatsausgaben, Steuersenkungen, höhere Bildungsausgaben sowie eine bessere Umverteilungspolitik.