Union ringt um Geschlossenheit
sp Berlin
Die Unionsparteien ringen nach dem bisher schlechtesten Ergebnis bei einer Bundestagswahl um Geschlossenheit. Am Dienstag wurde eine Kampfabstimmung um den Fraktionsvorsitz durch einen Kompromiss zwischen den Spitzen von CDU und CSU gerade noch abgewendet. In der Sitzung warb CDU-Chef Armin Laschet laut Teilnehmern dann erneut für Sondierungen mit Grünen und FDP über eine Jamaika-Koalition, wie Reuters berichtete. Zuvor hatte CSU-Chef Markus Söder mit Blick auf die Regierungsbildung erklärt, dass zunächst die SPD am Zug sei, und eingeräumt, dass SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz derzeit die besten Chancen habe, ins Kanzleramt einzuziehen.
„Die, die uns gewählt haben, sagen: Gebt das nicht so schnell auf mit Jamaika“, sagte Laschet laut Teilnehmern in der Fraktionssitzung. Es gebe starke Signale von der FDP in Richtung Union, so der CDU-Chef. Er habe als Spitzenkandidat Fehler gemacht, und das bedauere er sehr, sagte Laschet und bat all jene um Entschuldigung, die bei der Wahl am Sonntag ihr Mandat verloren haben.
Bereits vor der Fraktionssitzung hatte CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) dem CDU-Chef für Sondierungen mit den Grünen und der FDP den Rücken gestärkt. Laschet sei als Parteichef der „geborene Verhandler“ wie auf der CSU-Seite Markus Söder, sagte Brinkhaus, der sich auf den Kompromiss von Laschet und Söder einließ, ihn zunächst für die nächsten sechs Monate statt für ein Jahr als Fraktionschef zu bestätigen. Laschet und Söder hatten vor der Sitzung diesen Streitpunkt ausgeräumt. Nach Angaben von Teilnehmern stimmten dem Kompromiss auch die CDU-Politiker Friedrich Merz, Jens Spahn und Norbert Röttgen zu, die deshalb auf eine mögliche Kampfkandidatur um den Fraktionsvorsitz verzichteten.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Brinkhaus begründeten ihr Bestehen auf eine Abstimmung damit, dass die neue Fraktion handlungsfähig sein müsse. Beide betonten, dass sie als Vertreter der Fraktionen auch einem Sondierungsteam über Jamaika angehören würden. Laschet hatte sich früh hinter Brinkhaus gestellt, aber vorgeschlagen, auf eine Wahl wegen möglicher Kampfkandidaturen zu verzichten. Hintergrund der kurzen Amtszeit ist, dass die Union nicht weiß, ob sie in der Regierung oder der Opposition landet, wo der Fraktionschef der Union gleichzeitig die Rolle des Oppositionsführers bedeutet.
Söder, Dobrindt und Brinkhaus betonten, die Union sei bereit für Sondierungen über eine Jamaika-Koalition. Der CSU-Chef stellte aber klar, dass zunächst die SPD am Zuge sei. „Die besten Chancen, Kanzler zu werden, hat derzeit Olaf Scholz“, sagte Söder. Es gebe aber noch „eine kleine Möglichkeit“, dass die Ampel-Koalition am Ende nicht kommen werde. Auf keinen Fall dürfe es in möglichen Verhandlungen über Jamaika eine Selbstaufgabe der Union und ihrer Kernpositionen geben. Aus der CDU hieß es, es habe bereits Gespräche mit FDP und Grünen gegeben, die Interesse an Sondierungen geäußert hätten.
Söder ließ auf Nachfrage offen, welche Rolle er am Ende von Gesprächen über eine Jamaika-Koalition einnehmen würde. Zuvor hatte es Berichte gegeben, Söder könne sich am Ende sogar zum Kanzler wählen lassen. „Dies ist die Woche der Entscheidungen, sowohl inhaltlich wie personell“, sagte Dobrindt, ohne Details zu nennen.
Aus Reihen der Grünen und der FDP hieß es, Sondierungen mit der Union seien nur sinnvoll, wenn diese geschlossen sei. „Dass die Union jetzt gerade nicht besonders handlungsfähig ist, das haben die letzten Tage schon gezeigt“, sagte etwa die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, den Sendern RTL/ntv. Der Grünen-Abgeordnete Felix Banaszak und der FDP-Politiker Marco Buschmann sagten im Deutschlandfunk, CDU/CSU müssten erst klären, ob sie in die Opposition gehen oder sondieren wollten.
SPD lädt FDP und Grüne ein
Die SPD hat FDP und Grüne für diese Woche zu ersten Sondierungsgesprächen eingeladen. „Wir sind bereit, nicht nur schnelle, sondern auch verlässliche Gespräche zu führen“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich vor der konstituierenden Sitzung der stärksten Fraktion im neuen Parlament. Grüne und FDP seien eingeladen, „wenn sie wollen, auch in dieser Woche bereits Sondierungsgespräche zu führen“. Er finde es aber auch gut, dass Grüne und FDP vorab miteinander sprechen wollten, um das vor vier Jahren bei den gescheiterten Gesprächen über eine Jamaika-Koalition mit der Union entstandene Misstrauen abzubauen, sagte er im Deutschlandfunk.