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Union will Aktionären mehr Rechte einräumen als die SPD

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 22.5.2019 Die Zeit drängt. Bis zum 10. Juni müssen die EU-Länder die Zweite Aktionärsrechterichtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. Sicher ist jetzt schon, dass Deutschland diesen Termin verfehlen...

Union will Aktionären mehr Rechte einräumen als die SPD

Von Angela Wefers, Berlin Die Zeit drängt. Bis zum 10. Juni müssen die EU-Länder die Zweite Aktionärsrechterichtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. Sicher ist jetzt schon, dass Deutschland diesen Termin verfehlen wird. Vor knapp zwei Wochen hat der Bundestag in erster Lesung das deutsche Umsetzungsgesetz – ARUG II – beraten, nachdem das Kabinett die Vorlage von Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) am 20. März gebilligt hatte. Im Bundestag wurde deutlich, dass es bei Union und SPD sehr unterschiedliche Vorstellungen gibt, wie das deutsche Aktienrecht künftig aussehen soll. Der Hauptstreitpunkt ist nicht neu und heißt: Vorstandsvergütung. Es geht um den Grad des Mitspracherechts der Hauptversammlung. Zudem ist die Union über den knappen Zeitplan verstimmt. “Das Bundesjustizministerium hat den Entwurf so spät vorgelegt, dass Deutschland die Umsetzungsfrist in der EU verpasst”, sagte der Berichterstatter der Unionsfraktion, der Gesellschaftsrechtler Heribert Hirte (CDU), der Börsen-Zeitung. “Damit wird das Parlament unter unseriösen Druck gesetzt.”Die EU-Richtlinie war bereits im Mai vor zwei Jahren verabschiedet worden. Innerhalb von Europa wird damit sichergestellt, dass Informationen über nationale Grenzen hinweg fließen und Aktionäre ihre Rechte in börsennotierten Gesellschaften leichter ausüben können. Dazu wird die Mitsprache der Eigentümer bei der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand – das sogenannte “say on pay” – und bei Geschäften mit der Gesellschaft nahestehenden Unternehmen und Personen – also “related party transactions” – verbessert. Aktionäre sind nach der Reform zu identifizieren, getreu dem Standard “know your shareholder”. Institutionelle Investoren wie Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater müssen ihr Verhalten offenlegen. Damit soll der Anreiz sinken, möglicherweise Interessen langfristiger Anleger entgegen zu handeln. Ohne Entscheidungsmacht Mit Blick auf die Vorstandsvergütung nutzt der Regierungsentwurf von Barley ein Wahlrecht der Richtlinie – und zwar die milde Sorte. Die Hauptversammlung wird über das Vergütungssystem und damit über einen Rahmen für die konkrete Vergütung des Vorstands abstimmen. Der Regierungsentwurf sieht aber nur ein beratendes Votum der Hauptversammlung vor, kein bindendes. Sprich: Die Aktionäre können sich zwar äußern, aber nichts bewegen. Zum Vergütungssystem gehört auch ein Bericht, der die Entwicklung der Managementbezüge und die Lohnentwicklung in der Belegschaft aufzeigen muss. Nach einer Untersuchung der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung beziehen Vorstände inzwischen das 71-Fache des Durchschnittsverdienstes der Beschäftigten. In den vergangenen Jahren habe sich der Wert deutlich vergrößert.Justizstaatssekretär Christian Lange (SPD) begründete das nur beratende Votum der Aktionäre mit dem Bestreben, die Corporate Governance im Unternehmen nicht zu verwässern. Die Vergütungskompetenz liege beim Aufsichtsrat. Dieser hafte auch dafür. “Wir wollen den Aufsichtsrat nicht aus der Verantwortung entlassen”, sagte Lange im Bundestag. Die letzte Entscheidung liege damit im mitbestimmten Kontrollgremium aus Eigentümern wie Arbeitnehmern. Dies liegt auf der Linie des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), der ein verbindliches Votum der Hauptversammlung ablehnt. Der DGB bezweifelt, dass die Aktionäre die Explosion der Managergehälter bremsen würden. Ursache dafür ist aus Sicht des DGB das “Geschäftsmodell” von Finanzinvestoren, die Vorstandsvergütungen durch variable Komponenten nach oben zu treiben. Der Dissens im Bundestag über diesen Punkt ist vorgezeichnet. In der CDU/CSU-Fraktion versprechen sich die Rechtsexperten nämlich eine durchaus heilsame Wirkung von einem bindenden Votum. “Wir sollten der Hauptversammlung mehr verbindliche Rechte einräumen”, lautet die klare Botschaft der rechtspolitischen Sprecherin der Fraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU). Mehr Einmischung und mehr Entscheidungsmöglichkeit entsprächen nicht nur der Stoßrichtung der europäischen Aktionärsrechterichtlinie, sondern auch dem neuen Selbstverständnis der Aktionäre. Hirte baut zudem auf Rückendeckung der Wirtschaft. “In mittelständischen Unternehmen gibt es großes Unbehagen gegenüber den sehr hohen Vorstandsvergütungen in börsennotierten Gesellschaften”, sagte er der Börsen-Zeitung. “Das bringt alle Unternehmer in Misskredit.” Der Union schwebt bereits vor, wie eine Brücke zwischen den Koalitionspartnern geschlagen werden könnte: Wenn schon nicht insgesamt, so könnte das Votum der Aktionäre zumindest dann verbindlich sein, wenn die Hauptversammlung die Vergütung herabsetzt. Vorstände könnten somit das verdienen, was sowohl der Aufsichtsrat samt Arbeitnehmern als auch die Aktionäre für angemessen halten, argumentiert die CDU/CSU. In den kommenden Wochen wird das ARUG II im Rechtsausschuss des Bundestags beraten. Möglichst noch vor der Sommerpause Ende Juni soll das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein.