Unternehmen klagen über neue Brexit-Unsicherheit

EU-Staaten wollen Fristverlängerung nur bei klaren Ansagen aus London - Deutsche erwarten No Deal

Unternehmen klagen über neue Brexit-Unsicherheit

ahe Brüssel – Nach dem Votum des britischen Unterhauses auf eine Verschiebung des Austrittsdatums aus der EU wächst in der Wirtschaft der Unmut über das völlig unklare weitere Vorgehen. Der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, sagte, die Unternehmen hofften weiter, dass es noch einen geordneten Brexit gebe. “Wir gucken irgendwie alle gemeinsam in den Abgrund im Moment, und zwar auf beiden Seiten des Kanals”, sagte er im Deutschlandfunk.”Die Unternehmen wissen jetzt überhaupt nicht mehr, auf was sie sich vorbereiten sollen”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, der Funke Mediengruppe. “Neben der Unsicherheit, was überhaupt geschehen wird, kommt jetzt die Unsicherheit hinzu, wann es geschehen wird.”Eine große Mehrheit der Deutschen glaubt mittlerweile nicht mehr daran, dass der Austritt Großbritanniens aus der EU geordnet zugehen wird. Einem ZDF-Politbarometer zufolge rechnen nach dem Abstimmungsmarathon im britischen Parlament nun fast drei Viertel (72 %) der Befragten mit einem No-Deal-Szenario. Nur jeder fünfte Deutsche zeigte sich zuversichtlich, dass ein Brexit ohne Austrittsvertrag noch vermieden werden kann.”Der Maschinenbau ist mittlerweile für alle Fälle gerüstet”, erklärte Thilo Brodtmann, der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands VDMA. Die Unternehmen hätten in den vergangenen Monaten ihre Abhängigkeiten vom Vereinigten Königreich geprüft und seien auch für einen harten Brexit so gut es gehe vorbereitet.Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) forderte derweil die EU-Mitgliedstaaten auf, London einen Aufschub über den 29. März hinaus zu gewähren, wenn damit ein harter Brexit verhindert werden könne. “Das geordnete Ausscheiden von Großbritannien aus der EU muss weiterhin das Ziel aller politischen Bemühungen sein, weil die Folgen eines No Deal für die Unternehmen trotz aller Vorbereitungen unkalkulierbar sind”, betonte Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann. Unter den EU-Mitgliedstaaten ist eine Fristverlängerung allerdings längst nicht unumstritten. Frankreich hält einen solchen Schritt nur für angemessen, wenn Großbritannien eine klare Alternative wie ein Referendum oder Neuwahlen als Begründung nennt, wie aus dem Élysée-Palast verlautete. Eine kurze technische Verlängerung komme dann in Frage, wenn das britische Parlament vor dem anstehenden EU-Gipfel noch für den ausgehandelten Austrittsvertrag stimme, hieß es. Der irische Finanzminister Paschal Donohoe sagte ebenfalls, für einen Aufschub sei eine klare Ansage nötig, was denn in dieser Zeit geschehen solle. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte äußerte sich skeptisch zu neuen Verhandlungen mit London. Das vorliegende Abkommen sei “der einzige Deal auf dem Tisch”, sagte er nach einem Gespräch mit EU-Ratspräsident Donald Tusk. Moody’s glaubt an AufschubFür die Bundesregierung sagte Sprecher Steffen Seibert lediglich, der nächste Vorschlag, wie es weitergehen solle, müsse aus Großbritannien kommen.Die Ratingagentur Moody’s erklärte derweil, es sei im Endeffekt eher wahrscheinlich, dass die EU-Staaten einen Brexit-Aufschub gewähren würden. Es liege in ihrem eigenen Interesse, einen No Deal zu vermeiden. Die Unsicherheiten für die Unternehmen sind aber auch nach Meinung von Moody’s nach wie vor sehr hoch und werden sich auch negativ auf Investitions-, Einstellungs- und Ausgabenentscheidungen auswirken.