Unternehmen verschlägt es die Stimmung
Unternehmen verschlägt es die Stimmung
Ifo-Geschäftsklima sinkt überraschend – Pessimistischere Erwartungen – Lagebarometer stagniert – Indikator für kriselndes Baugewerbe steigt
ba Frankfurt
Tristesse statt Sommermärchen: Während Fußballdeutschland in einen EM-Rausch gerät, trübt sich die Unternehmensstimmung im Juni ein. Das Ifo-Geschäftsklima sinkt im Juni unerwartet erneut, da die Erwartungen pessimistischer geworden sind. Vor allem der Auftragsmangel ist ein großes Problem.
Den jüngsten zahlreichen Prognoseerhöhungen zum Trotz: Die deutsche Wirtschaft erholt sich doch nicht so schnell wie erhofft. Nach dem Einkaufsmanagerindex hat auch das Ifo-Geschäftsklima einen Dämpfer bekommen. Zudem hat die EZB zwar im Juni die Zinswende eingeleitet, doch wirkt die Geldpolitik noch länger bremsend. Die größten Sorgen bereiten derzeit neben den geopolitischen Risiken der sich zuspitzende Handelsstreit mit China, der vor allem die hierzulande wichtige Automobilindustrie trifft, sowie die Unsicherheit wegen der Wirtschaftspolitik der Ampel-Koalition in Berlin.
In Stagnation gefangen
„Die deutsche Wirtschaft tut sich schwer, die Stagnation zu überwinden“, kommentiert Ifo-Präsident Clemens Fuest den Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas auf 88,6 Punkte, nach 89,3 Punkten im Mai. Ökonomen hatten statt des zweiten Rückgangs in Folge mit einem leichten Anstieg auf 89,6 Zähler gerechnet. Sie zeigten sich vor allem besorgt, dass die pessimistischeren Erwartungen für das Minus gesorgt haben. Denn die Anstiege der vergangenen Monate basierten vor allem auf einer höheren Erwartung. Die Erwartungskomponente gab 1,3 Zähler ab. Der Lageindikator hingegen kommt seit langem kaum voran und stagnierte im Juni bei 88,3 Punkten.
„Die deutsche Wirtschaft muss auf ihr Sommermärchen noch warten“, sagte Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. In weiten Teilen der Wirtschaft fehlten Aufträge. Die Nachfrage sei nach wie vor schwach. Zudem ziehe die private Nachfrage trotz schwindender Inflation und gestiegener Reallöhne immer noch nicht an. Der Konsum gilt allerdings als Hoffnungsträger für eine dynamischere Konjunkturentwicklung im zweiten Halbjahr. Die Bundesbank hatte jüngst noch erwartet, dass sich das überraschende starke BIP-Plus von 0,2% zu Jahresbeginn in diesem Quartal fortsetzt – dies scheint nun fraglich. Erst vergangene Woche hatten auch die Münchener Wirtschaftsforscher ihre BIP-Prognose noch verdoppelt: Statt eines Wachstums von 0,2% erwarten sie nun 0,4% in diesem Jahr. 2025 sollen es dann 1,5% werden.
EM-Effekt? Fehlanzeige!
Ein großer EM-Effekt, auf den viele gehofft haben, zeigt sich in der deutschen Wirtschaft bislang noch nicht. Zahlreiche Ökonomen haben aber ohnehin in Studien mit Blick auf vergangenen sportliche Großereignisse gezeigt, dass darauf auch nicht gesetzt werden sollte. Laut Wohlrabe sind die Hotels derzeit relativ zufrieden mit ihren Geschäften, während in der Gastronomie eher Unzufriedenheit zu sehen sei. Im Dienstleistungssektor insgesamt ist das Geschäftsklima gestiegen. Im Handel hingegen hat sich die Stimmung merklich verschlechtert – sowohl im Groß- als auch im Einzelhandel.
Dienste hui, Industrie pfui
Ebenso wie bei dem am Freitag veröffentlichten Einkaufsmanagerindex zeigt auch die Ifo-Umfrage, wie sehr die Industrie im Gegensatz zu den Dienstleistern darbt. So hat das Geschäftsklima im verarbeitenden Gewerbe nach drei Anstiegen in Folge einen Rückschlag erlitten. „Insbesondere der sinkende Auftragsbestand bereitete den Firmen Sorgen“, berichten die Münchener Wirtschaftsforscher. Zudem sind Exporterwartungen ebenso wie die Preiserwartungen im Juni leicht gefallen: Weniger Betriebe wollen in den kommenden drei Monaten ihre Kunden stärker zu Kasse bitten, sagte Wohlrabe.
Bau-Barometer legt zu
Im kriselnden Bauhauptgewerbe haben weniger pessimistische Erwartungen das Geschäftsklima steigen lassen. Die aktuelle Lage wurde hingegen schlechter beurteilt. „Auftragsmangel bleibt ein zentrales Problem“, betonte das Ifo. DWS-Chefvolkswirt Europa Martin Moryson erklärt die Stimmungsaufhellung damit, dass Baugewerbe weit mehr umfasse als den privaten Wohnungsbau. „Öffentlicher Bau und insbesondere der Tiefbau sollten von dem immensen Nachholbedarf bei der deutschen Infrastruktur profitieren – unabhängig vom aktuellen Zinsniveau.“