DIE FOLGEN DER US-ZINSWENDE

US-Notenbank stärker denn je mit internationalem Fokus

Zinswende quasi in letzter Minute eingeleitet - Nullzinsniveau nach sieben Jahren verlassen - Konjunkturrisiko steigt mit jedem weiteren Zinsschritt

US-Notenbank stärker denn je mit internationalem Fokus

Von Sebastian Schmid, New YorkAm 16. Dezember hat der Offenmarktausschuss der US-Notenbank Fed die letzte Chance 2015 genutzt und rund sieben Jahre nach dem Absenken der Federal Funds Rate auf 0 bis 0,25 % erstmals den US-Leitzinssatz vom Tiefstniveau auf nunmehr 0,25 bis 0,5 % angehoben. Spekuliert wurde über diesen Schritt bereits längere Zeit. Noch im Dezember 2014 hatte das Gros der US-Ökonomen mit einer Zinsanhebung im Frühjahr oder Sommer des abgelaufenen Jahres gerechnet. Nach mehrfacher Verzögerung hatten Ende Oktober dann viele US-Experten eine Verschiebung der Zinswende ins neue Jahr befürchtet. Neue ParameterDie Verwirrung um den Zeitpunkt der Entscheidung kam auch daher, dass die Fed nicht mehr nur US-basierte Parameter wie Wirtschaftswachstum, Arbeitsmarktlage und Inflation zur Basis ihrer Zinsentscheidung erklärt hat. In der September-Sitzung wurden auch internationale Konjunkturprobleme und Finanzmarktturbulenzen – insbesondere in China – zur Begründung der verschobenen Zinswende vorgebracht.Damit hat die Fed noch mehr Variablen eingeführt, die berücksichtigt werden müssen, um einen Zinsschritt vorauszusehen. Deshalb wird auch gemutmaßt, dass die Entscheidung im Dezember nicht gleich der Auftakt einer ganzen Phalanx von Zinsanhebungen sein wird. In der Zinsanhebungsphase zuvor waren die Zinssätze ab 2004 in den zwei aufeinanderfolgenden Jahren noch um jeweils zwei Prozentpunkte angehoben worden. Aktuell erwarten die Vertreter der Notenbank im Offenmarktausschuss mehrheitlich indes nur einen halb so kräftigen Anstieg für 2016. Das deutet auf einen nächsten Zinsschritt im März hin.Seit Monaten warnen die US-Notenbanker schon vor Vergleichen mit vergangenen Zinsanhebungsphasen. Der Pfad des Anstiegs werde flacher und womöglich auch von Unterbrechungen gekennzeichnet sein, erklärte etwa Atlantas Fed-Chef Dennis Lockhart.Wegen der robusten Entwicklung der US-Wirtschaft im Schlussvierteljahr mit steigenden Einkommen der US-Angestellten und wegen der Beruhigung der weltwirtschaftlichen Turbulenzen blieb der Fed letztlich kaum eine Wahl, als im Dezember den ersten Zinsschritt folgen zu lassen. Die Glaubwürdigkeit der Notenbanker wäre sonst in Frage gestellt worden. Wie sehr ein solcher Schritt erwartet wurde, zeigte auch die unmittelbare Reaktion an den Märkten. Die Aktienindizes S & P 500 sowie Dow Jones Industrial notierten direkt nach der Ankündigung jeweils mehr als 1 % fester. Der Dollar wertete nur leicht auf.Allerdings drohen Effekte einer fortgesetzten US-Zinsanhebung die Dynamik wieder zu stoppen. So ist zu befürchten, dass sich die bereits bei Nullzinsniveau festzustellende Kapitalflucht aus den Schwellenländern in den Dollarraum weiter verstärkt. Für die globale Wirtschaft eine problematische Entwicklung. Zuletzt war der Kapitalabfluss in den Schwellenländern mehr als doppelt so hoch wie der Kapitalzufluss ausgefallen, geht etwa aus Daten des Institute of International Finance hervor.Kapitalzuflüsse im Dollarraum dürften wiederum den Greenback stärken, so dass viele Währungen, die im vergangenen Jahr an Wert verloren haben, noch weiter abwerten müssten. Für Schwellenländer, die zugleich mit Investitionsabflüssen und Konjunkturschwächen zu kämpfen haben, ist der Anstieg von Einfuhrpreisen eine weitere Belastung. Lektion gelernt?Das gilt insbesondere für Länder, die sich in der Vergangenheit in Dollar verschuldet haben. Gerade in Südamerika haben dies einige Länder getan, um so günstigere Zinskonditionen und Zugang zu einer breiteren Investorenbasis zu bekommen. Mit der Abwertung der eigenen Währung wird die Rückzahlung deutlich erschwert.Das Problem der Schwellenländer könnte sich weiter verschärfen, wenn einige der entwickelten Staaten die Zinsen ebenfalls anheben, um ihren Kapitalabfluss in die Vereinigten Staaten zu stoppen. Die Bank of England kokettiert schon länger mit höheren Zinsen, und auch andere Notenbanken könnten sich zum Abschied vom Nullzins genötigt sehen. In den USA wiederum könnten steigende Zinsen die Kreditvergabe bremsen und einige auf Pump finanzierte Booms zu einem jähen Ende bringen – etwa im US-Automarkt. Zahlreiche Großbanken haben bereits höhere Basiszinssätze angekündigt. Dies würde wiederum die Konsumfreude im Land dämpfen.Der stärkere Fokus auf internationale Entwicklungen und die diesbezüglichen Auswirkungen der Fed-Zinspolitik erklärt die Zurückhaltung im abgelaufenen Jahr und wohl auch darüber hinaus. Die Fed hat ihre Lektion aus den Jahren nach der Finanzkrise gelernt: Die Notenbanker haben das US-Wachstum und die US-Inflationsentwicklung immer wieder zu optimistisch eingeschätzt und mussten ihre Erwartungen stetig zurückschrauben. Eine wesentliche Ursache für schwächeres Wachstum war oft eine externe Entwicklung: die Eurokrise, die Rezession in den Schwellenländern, die Konjunkturschwäche in China. Die Berücksichtigung der Konjunkturentwicklung jenseits der Landesgrenzen ist daher nicht willkürlich. Sie zeigt das neue Bewusstsein der Fed für die internationale Vernetzung der USA.