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US-Republikaner büßen Anführer und Wahlchancen ein

Von Stefan Paravicini, New York Börsen-Zeitung, 13.4.2018 Paul Ryan, der mächtigste Kongressabgeordnete der US-Republikaner in Washington, möchte seine Kinder zu Hause in Janesville, Wisconsin aufwachsen sehen. Das ist dem 48-jährigen Sprecher des...

US-Republikaner büßen Anführer und Wahlchancen ein

Von Stefan Paravicini, New YorkPaul Ryan, der mächtigste Kongressabgeordnete der US-Republikaner in Washington, möchte seine Kinder zu Hause in Janesville, Wisconsin aufwachsen sehen. Das ist dem 48-jährigen Sprecher des Repräsentantenhauses jetzt eingefallen, da der Nachwuchs längst im Schulalter angelangt ist. Er wird bei den Kongresswahlen im November deshalb nicht mehr zur Wahl antreten, wie Ryan am Mittwoch mitteilte, der seit 1998 für die US-Republikaner im Kongress sitzt und seit 2015 Sprecher des Repräsentantenhauses ist. Ob man der Begründung für den Rückzug des “Weekend Dad” glaubt oder nicht und auch wenn der Abschied für politische Beobachter in der Hauptstadt nicht überraschend kommt, erhöht der Rücktritt jedenfalls die Chancen der Opposition, bei den anstehenden Wahlen die Mehrheit im Kongress zu übernehmen. Vater und lahme EnteZwar hat Ryan angekündigt, sein Mandat bis zum Ende der laufenden Wahlperiode im nächsten Januar zu erfüllen. Die Partei dürfte andere Pläne haben. Denn der designierte Vollzeitvater aus Wisconsin, der in Washington D.C. ab sofort als “lahme Ente” gilt, dürfte kaum noch in der Lage sein, die ohnehin zerstrittene Fraktion im Wahljahr zusammenzuhalten. Außerdem wird es Ryan trotz seiner Qualitäten als Fundraiser schwerfallen, in der neu gefundenen Vaterrolle auch auf Geldgeber Eindruck zu machen. Im bisherigen Verlauf der Wahlperiode 2017/18 hat Ryan 54 Mill. Dollar für die Partei eingesammelt, was nach Einschätzung seines Büros eine Leistung ohne Beispiel für die Politorganisation eines Sprechers des Repräsentantenhauses ist. Dass Ryan sich nach nur drei Jahren von der Parteispitze zurückzieht, dürfte potenzielle Spender aber nachdenklich stimmen, ob ihr Geld in diesem Wahljahr bei den Republikanern gut angelegt ist.”Das ist die Partei von Donald Trump”, deutet Ryans Freund Pete Wehner an, welche Überlegungen den mächtigen Abgeordneten zu seinem Schritt bewogen haben könnten. “Paul Ryan hat sich in der Partei von Trump nie wohlgefühlt”, erklärt Wehner, der anders als sein Freund regelmäßig als Kritiker des US-Präsidenten auftritt. “Die einzige Möglichkeit, den Einfluss von Trump auf die Partei zu schwächen, ist, dass die Republikaner verlieren”, sagte er dem “Wall Street Journal” weiter. Ob Wehner damit Ryans eigentliche Motivation für seinen Rücktritt trifft oder nicht, die Wahrscheinlichkeit für eine Niederlage der Partei im November ist jedenfalls gestiegen. Denn mit Ryan verlieren die Republikaner nicht nur ein Zugpferd bei Geldgebern, sondern auch den einzigen Kandidaten, auf den sich die Fraktion 2015 als Nachfolger von John Boehner als Sprecher des Repräsentantenhauses einigen konnte. Ohne Ryans Führung dürften die Risse, die durch die Partei gehen, in den kommenden Wochen wieder deutlicher zutage treten und auch die magere Bilanz der Regierungspartei unvorteilhaft in den Vordergrund rücken.Dass seine drei Kinder in Wisconsin noch bis Januar auf den Vater warten müssen, glaubt Ryan wohl selbst nicht. Spätestens im Sommer ist Schluss, heißt es von Insidern in der Partei. Mit Kevin McCarthy und Steve Scalise laufen sich bereits zwei Kandidaten warm, die nach Einschätzung von Beobachtern für die Ryan-Nachfolge in Frage kommen. McCarthy (53) gilt als Mehrheitsführer der Fraktion im Repräsentantenhaus als die Nummer 2 hinter Ryan und unterhält außerdem ein ausgezeichnetes Verhältnis zu US-Präsident Donald Trump. Gegen den Abgeordneten aus Kalifornien spricht allerdings, dass er bereits 2015 an der Reihe gewesen wäre, Boehner als Sprecher nachzufolgen, damals aber am rechten Flügel scheiterte, der ihm auch jetzt in die Quere kommen könnte. Steve Scalise aus Louisiana werden deshalb mehr als Außenseiterchancen eingeräumt. Der 52-Jährige hat zwar keinen ganz so engen Draht ins Weiße Haus wie McCarthy und gilt auch nicht als ein politisches Talent wie Ryan, kann aber sehr gut mit den Medien und gilt als hervorragender Netzwerker. Im vergangenen Juni hatte Scalise nach einem Attentat auf mehrere Abgeordnete tagelang in Lebensgefahr geschwebt.