US-Staatsfinanzen geraten außer Rand und Band
Von Peter De Thier, Washington Versprochen hatte US-Präsident Donald Trump zu Beginn seiner Amtszeit, dass es “kein Problem” sein werde, innerhalb von wenigen Jahren das Defizit im Bundeshaushalt komplett auszugleichen. Eingetreten ist während der vergangenen zwei Jahre aber genau das Gegenteil. Der Fehlbetrag ist deutlich geschwollen und hat bei Ökonomen erneut die Debatte über die Tragfähigkeit der Staatsschulden entfacht. Auch die Notenbank wird diese Woche bei der Sitzung ihres Offenmarktausschusses die Situation im Auge behalten müssen.Schließlich warnen Experten, dass die roten Zahlen, in die der Fiskus immer tiefer rutscht, im Falle eines wirtschaftlichen Einbruchs dem Staat die Hände binden würden. Der haushaltspolitische Spielraum, um konjunkturbelebende Ausgabenprogramme zu verabschieden, wäre deutlich eingeengt, und die Bereitschaft des Kongresses, den Geldhahn aufzudrehen, wäre geringer.Umso mehr würden Politiker dann auf die Fed schauen und hoffen, dass die Währungshüter zu einer ultralockeren Geldpolitik zurückkehren, um die Wirtschaftstätigkeit weiter zu stimulieren. Dabei hatte Notenbankchef Jerome Powell kürzlich noch betont, dass die beschlossenen Zinssenkungen keineswegs die Bereitschaft zu einem Kurswechsel signalisieren, sondern in erster Linie präventiver Natur seien.So oder so sind die neuesten Zahlen schockierend. So kletterte das Defizit im Fiskaljahr 2019, welches am 30. September endete, gegenüber dem Vorjahr um 26 % auf 984 Mrd. Dollar. So viele neue Schulden hatte der Bund zuletzt 2012 aufgenommen. Zwar wurde auf der Einnahmenseite ein Plus von 4 % gemessen. Dazu hat Trumps Steuerreform insofern beigetragen, als dass als Folge der niedrigeren Körperschaftssteuer diese Quelle über 12 % mehr als zuvor in die Staatskasse spülte. Auffallend war auch der deutliche Anstieg der Zolleinnahmen im Gefolge der diversen Handelskonflikte. Diese schossen gegenüber 2018 um mehr als 70 % hoch. Deutlich höhere Ausgaben Besorgniserregend ist hingegen die Tatsache, dass ungeachtet der gestiegenen Steuererlöse die Ausgaben um mehr als das Doppelte, nämlich 8,2 %, anzogen. Angeführt wurden diese natürlich von Rüstungsausgaben, hat Trump schließlich das erklärte Ziel, das Militär auszubauen und zu modernisieren. Deutlich besser ausgestattet als zuvor wurden auch Etatposten, die Dienste für Kriegsveteranen erbringen. Der wachsende Schuldenberg hat aber auch zur Folge, dass der Schuldendienst immer drückender wird. So erreichten die Zinszahlungen, die um mehr als 15 % zulegten, mit über 375 Mrd. Dollar fast dieselbe Höhe wie das gesamte Budget für Medicaid, die gesetzliche Krankenversicherung für Arme. Staatliche Gesundheitsprogramme verzeichneten dagegen nur einen mageren Zuwachs von etwa 2 %.Verteidigen wollten Trump und sein Finanzminister Steve Mnuchin die steigenden Schulden zwar nicht. Wie gehabt schoben sie aber die Verantwortung dafür dem Kongress zu, der seine “verschwenderischen und verantwortungslosen Ausgabenprogramme” eindämmen solle. Dabei muss auch der Präsident die Schräglage bei den Staatsfinanzen auf seine Kappe nehmen. Den größten Beitrag leistet nämlich der sprunghafte Anstieg der Rüstungsausgaben, auf denen er beharrt. Diese haben mittlerweile fast denselben Stand erreicht wie während des Irakkriegs, eine Ausweitung, die viele Experten in diesem Umfang für unnötig halten.Marc Goldwein vom Committee for a Responsible Federal Budget, ein Forschungsinstitut, das sich für Defizitabbau einsetzt, bezeichnet es als “alarmierend, dass wir einen historischen Präzedenzfall haben, in dem eine boomende Wirtschaft dennoch von rapide steigenden Defiziten begleitet wird”. So erreichte der Anteil der Neuverschuldung am Bruttoinlandsprodukt (BIP) im abgelaufenen Fiskaljahr 4,6 %. Dabei war es ausgerechnet dem als “Sozialisten” und verschwenderischen Liberalen beschimpften Präsidenten Barack Obama gelungen, dank der beschlossenen Zwangseinsparungen die Quote von fast 10 % während der Wirtschaftskrise auf 2,4 % zu drücken.Zwar hat Trump Beratern gesagt, dass er sich im Falle einer Wiederwahl während seiner zweiten Amtsperiode verstärkt auf Defizitbekämpfung konzentrieren wolle. Seit seinem Amtsantritt haben der Präsident und seine republikanische Partei, die sich seit jeher als “fiskalisch Konservative” verstehen, das Thema Staatsschulden aber diskret unter den Teppich gekehrt. Dilemma für die FedAuch die Fed könnte angesichts der konjunkturellen Verlangsamung, die sich abzeichnet, an zwei Fronten gefordert sein. Zum einen könnte vor dem Hintergrund des schwächeren Wachstums mittelfristig der Druck wachsen, mit Zins- oder gar Geldspritzen der Wirtschaft Impulse zu geben. Dies spräche für mehr Sorgfalt bei den anvisierten Zinssenkungen, da mit jeder monetären Lockerung der Spielraum für neue Impulse immer geringer wird.Auf der anderen Seite müssen die Währungshüter aber im Auge behalten, dass steigende Zinsen den Schuldendienst erhöhen würden. Umso mehr Grund also, den gegenteiligen Kurs einzuschlagen und weitere Senkungen des Leitzinses zu beschließen. Die dritte Zinssenkung im laufenden Jahr dürfte am Mittwoch so oder so beschlossen werden. Inwieweit die Entwicklung der Staatsfinanzen darin zur Sprache kommt, das wird Powell womöglich anschließend verraten.