US-Staatspleite - aufgeschoben, nicht aufgehoben

Vorübergehende Einigung zur Anhebung des Verschuldungslimits lässt die Probleme ungelöst

US-Staatspleite - aufgeschoben, nicht aufgehoben

Von Peter De Thier, WashingtonIm Streit um eine weitere Anhebung der gesetzlichen Schuldengrenze in den USA haben Regierung und Opposition erneut lediglich eine Übergangslösung gefunden, mit der die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit nur bis März 2015 gebannt wäre. Angeführt von Oppositionschef John Boehner genehmigte das Repräsentantenhaus die Erhöhung des Schuldenlimits, das formal bereits im vergangenen Mai erreicht worden war. Für US-Präsident Barack Obama handelt es sich zwar um einen wichtigen Etappensieg. Eine Antwort auf das Problem der weiter steigenden Staatsschulden bleiben aber beide Großparteien schuldig. Bereits 14 Mal erhöhtSeit der Jahrtausendwende wurde die gesetzliche Schuldengrenze, die der Kongress bereits 1917 eingeführt hatte, insgesamt 14 Mal angehoben. In der Regel handelt es sich um eine rein prozedurale Angelegenheit, von der die breite Öffentlichkeit kaum Notiz nimmt. Im Sommer 2011 witterten aber die Republikaner, von ihrem klaren Sieg bei den vorausgegangenen Kongresswahlen beflügelt, die Chance, den als verschwenderischen Sozialliberalen kritisierten Obama unter Druck zu setzen. Dem höheren Verschuldungslimit wollten sie nur dann zustimmen, wenn er sich zu umfangreichen Sparmaßnahmen verpflichtet.Der Streit artete in ein beispielloses Chaos aus, das die globalen Finanzmärkte verunsicherte und zum ersten Mal in der Geschichte eine führende Ratingagentur veranlasste, die Bonität von US-Staatsanleihen in Frage zu stellen. Standard & Poor’s stufte die Sicherheit von Staatsobligationen herab, woraufhin beide Parteien panisch mit einem faulen Kompromiss reagierten, der die Politiker verpflichtete, bis Ende 2012 Einsparungen über 2,1 Bill. Dollar zu beschließen. Ansonsten sollte es zu Zwangskürzungen kommen, die als Folge der Handlungsunfähigkeit in Washington im Januar 2013 prompt in Kraft traten und nicht unerheblich auf das Wachstum durchschlugen.Nach dem Debakel von 2011 glaubten Experten, dass es sich um einen Einzelfall handeln würde. Doch im vergangenen Herbst wiederholte sich das Theater, wobei diesmal das Streben nach einem neuen Haushaltsgesetz im Mittelpunkt stand. Schon seit Mitte Mai, als die Schuldengrenze von 16,9 Bill. Dollar erreicht worden war, hatte sich das Finanzministerium sogenannter “außerordentlicher Maßnahmen” bedient, um den Fiskus künstlich über Wasser zu halten. Dazu zählen das Aussetzen von monatlichen Zahlungen an die Bezieher gesetzlicher Rentenversicherungen sowie das Anzapfen eines ausschließlich für Notfälle gedachten Fremdwährungsreservefonds. Ruf der Republikaner leidetAls Folge des politischen Patts kam es zu einem zweiwöchigen Verwaltungsstillstand. Ein für zwei Jahre gültiger Haushaltsplan wurde schließlich verabschiedet, die Genehmigung einer höheren Verschuldungsgrenze wurde aber ausgesetzt. Den Verwaltungsstillstand lastete eine Mehrheit der Amerikaner den Republikanern an, und allein aus Angst vor Einbrüchen bei den kommenden Kongresswahlen kapitulierten nun Boehner und einige seiner Parteifreunde. Im Senat hingegen glaubte Ted Cruz, ein Vertreter des rechtsgerichteten Tea-Party-Flügels, das Gesetz noch blockieren zu können. Es handelte sich ein weiteres Mal um eine unnötig hinausgezögerte Einigung in letzter Minute. Denn kommende Woche legt der Kongress eine Pause ein, und ohne den Kompromiss wären am 27. Februar auch sämtliche Bilanztricks erschöpft gewesen. Dann hätten lediglich laufende Steuereinnahmen den Fiskus vor der faktischen Zahlungsunfähigkeit gerettet, und diese hätten nur wenige Tage ausgereicht. “Aufschub der Hinrichtung”Ökonomen staunen jedenfalls erneut über das Unvermögen der Politiker, eine grundsätzlichere Lösung zum Abbau der Staatsschulden zu finden. Zwar sank das Defizit, das 2009 fast 10 % der Wirtschaftsleistung erreicht hatte, im abgelaufenen Jahr auf 3 %. Aber nach Angaben der unabhängigen Haushaltsbehörde Congressional Budget Office (CBO) wird die Schuldenquote weiter steigen und die Staatsverschuldung von 17,7 Bill. im laufenden Jahr bis 2020 auf 22,7 Bill. Dollar steigen.”Es ist immer wieder nichts anderes als ein Aufschub der Hinrichtung”, erklärte Alice Rivlin, Gründerin des CBO und früher stellvertretende US-Notenbankchefin. “Anpacken müssen die Politiker die Steuergesetze und eine Reform der gesetzlichen Ausgabenprogramme, doch dazu fehlt beiden Seiten der Mut.”